Darf die Heilige Schrift 5Mo 4,2 brechen?
Die vielleicht etwas seltsam klingende Überschrift lässt sich am besten durch den allseits bekannten Spruch beschreiben: “Die Bibel mit der Bibel auslegen.” bzw.: “Die Bibel legt sich selbst aus.”
Mit diesen Aussagen will man zum Ausdruck bringen, dass man nicht seine eigene Meinung in den Text hineininterpretiert, sondern man lässt die Bibel für sich selbst sprechen. Dadurch kann man dann – so die Theorie – auf jede biblische Frage eine Stelle in der Heiligen Schrift finden, die frei von Menschenlehre die jeweilige Antwort dazu liefert. Das klingt erst einmal total löblich und gut.
Stellen wir uns zu diesem Spruch mal kurz vor, wie wir christlichen Geschwistern die unmissverständlichen Stellen aus 5Mo 4,2 und Mt 5,17-20 vorlesen, und sie dann fragen, ob ihre Lehren nicht etwas wegnehmen. Einige von ihnen würden ungefähr so darauf antworten:
“Das, was wir glauben, ist kein Widerspruch zu 5Mo 4,2 oder den Worten Jesu aus Mt 5,17-20. Denn wir nehmen keine Gebote weg, sondern wir erfüllen sie alle durch die Liebe. Ganz genau so, wie es im NT geschrieben steht.”; wiederum andere würden vielleicht so darauf antworten: “Die Gebote sind ja nicht abgeschafft, sondern sie sind noch alle gültig – nur eben nicht für uns Christen. Ganz genau so, wie es in den Paulus-Briefen geschrieben steht:”
Bei diesen beiden Beispielen hätte man – aus der jeweiligen Perspektive betrachtet – die Bibel mit der Bibel ausgelegt. Vermeintlich frei von Menschenlehre. Dass man dadurch dann doch irgendwie sagt, dass die Heilige Schrift 5Mo 4,2 brechen kann, wird dabei meist nicht wahrgenommen.
Ähnlich wäre es mit unseren jüdischen Geschwistern, wenn wir sie fragen würden, ob ihre Lehren nicht 5Mo 4,2 brechen und der Torah etwas hinzufügen. Die Antwort darauf sähe dann ungefähr so aus:
“Wieso? Wir brechen 5Mo 4,2 nicht, denn wir fügen ja nichts hinzu. Unsere Rabbis legen lediglich die Gebote für uns aus.”
Auch hier wäre das Ergebnis also dasselbe. Das heißt, beide würden in ihrem jeweiligen Verständnis keinerlei Widerspruch zu 5Mo 4,2 sehen. Im Gegenteil: Sie würden ihre Ansichten biblisch begründen und “die Bibel durch die Bibel auslegen”.
Aber wie sieht das eigentlich unter den Torah haltenden Jeschua-Nachfolgern aus, wenn dort diverse Lehren Gebote hinzufügen oder wegnehmen? Ist es da irgendwie anders? Sind wir jetzt irgendwie “weiter” oder vermeintlich “weiser” als unsere Geschwister?
Nein, denn wir machen genau dasselbe, nur nicht in diesem Ausmaß. Aber das Prinzip dahinter ist absolut identisch. Da gibt es keinen Unterschied! Denn sie haben ihre biblischen Gründe für das Hinzufügen oder Wegnehmen und Torah haltende Geschwister haben ihre biblischen Gründe für das Hinzufügen oder Wegnehmen. Da gibt’s nichts Neues unter der Sonne.
Es ist im Grunde nur eine neue Facette dessen, was wir im ersten Teil gesehen hatten:
Es ist das Problem aus dem Garten, wo der Mensch selbst entscheidet, was gut und was böse ist, d.h., was an den Geboten gültig ist und was nicht. Hier wird das Ganze nur dadurch verschleiert, dass man vermeintlich frei von Menschenlehre die Bibel mit der Bibel auslegt. Das Ergebnis ist und bleibt aber: Man fügt Gebote hinzu oder nimmt welche weg.
Daher kann der Spruch: “Die Bibel legt sich selbst aus.” nur dann stimmen, wenn:
- Man die jeweiligen Stellen, die man miteinander in einen Bezug bringt, auch wirklich richtig versteht.
- Man generell nicht nur ein paar Stellen, sondern die gesamte (!) Heilige Schrift “sich auslegen lässt”.
Wenn man das nicht tut, kann diese im Grunde total löbliche Herangehensweise unzählige Irrlehren hervorbringen, die auf den ersten Blick eben total biblisch wirken, aber am Ende pure Verwirrung stiften.
Damit wir nicht in diese Falle tappen bzw. nicht dieselben Fehler anderer wiederholen, müssen wir verstehen, dass absolut gar nichts 5Mo 4,2 brechen kann – und zwar bis Himmel und Erde vergangen sind. Ganz genau so, wie es uns unser Meister bezeugt und gelehrt hat.
Mt 5,18 Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergangen sind, wird nicht ein Buchstabe noch ein einziges Strichlein vom Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.