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Wächter des Wortes
5Mo 4,2-Tests – Teil 9:
Sabbat – “Du darfst nicht”–Gebote

Die eine “berühmte” Stelle

Ehe wir gleich zu dieser Stelle kommen, kurz ein einleitendes Beispiel dazu:
Nehmen wir an, dass jemand zu uns kommt und behauptet, dass es beim Sabbat nicht nur die zuvor genannten vier Gebote gibt (also “nicht arbeiten, versammeln, an Schöpfung und Befreiung gedenken), sondern auch diese Gebote hier:

  • Am Sabbat Fuß zurückhalten bzw. nicht gehen.
  • Nichts tun, was einem gefällt.
  • Keine eigenen Wege verfolgen.
  • Kein Geschäft treiben.
  • Keine nichtigen Worte reden.

Was wäre unsere Reaktion darauf? Bzw. was müssten wir daraufhin sagen? Genau: Wo stehen alle diese Gebote in der Torah?

Antwort: Bis auf das “kein Geschäft treiben” (also nicht zu arbeiten), steht keines dieser Dinge in der Torah. Nichts von “nicht gehen”, nichts von “nichts tun, was einem gefällt” usw.

Daher die Frage: Hat die Person sich diese Gebote bzw. Verbote ausgedacht?

Jes 58,13 Wenn du deinen Fuß vom Sabbat zurückhältst, dass du dein Geschäft nicht tust an meinem heiligen Tag und den Sabbat ein Ergötzen und den heiligen Tag des HERRN ehrwürdig nennst; und wenn du ihn ehrst, so dass du nicht deine Wege verfolgst, dein Geschäft betreibst und nichtige Worte redest.

Die Antwort lautet also: “Nein”, die Person hat sich diese Dinge nicht ausgedacht, sondern sie stammen aus dem Buch Jesaja.

Was sagt uns das?

Damit man das gleich Folgende besser einordnen kann, müssen wir einen kleinen Exkurs ins NT machen. Dadurch wird dann später der Punkt zu Jesaja viel deutlicher und leichter greifbar werden.

Röm 10,4 Denn Christus ist das Ende des Gesetzes zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt.

Jeder kennt diesen Vers und hat ihn vielleicht schon einmal in der einen oder anderen Debatte um die Gültigkeit des Gesetzes gesagt bekommen: Die Aussage Ende des Gesetzes wird dafür genutzt, um unmissverständlich aufzuzeigen, dass das Gesetz abgeschafft sei. Und tatsächlich, so wie der Vers da steht, könnte man das auch meinen.

Da wir aber aus der Fülle der gesamten Heiligen Schrift (und nicht wegen ein paar Versen) wissen dürfen, dass das Gesetz unmöglich abgeschafft sein kann, passiert etwas ganz Natürliches bei uns: Wir stellen uns die Frage, wie kann das sein, dass bei diesem Vers Ende des Gesetzes steht.

Durch diese ganz intuitiv und natürlich aufkommende Frage passiert etwas Weiteres, sehr Wichtiges: Wir machen uns auf die Suche nach einer Lösung, um diesen vermeintlichen Widerspruch aufzuheben. Denn Paulus kann bei dem einen Vers nicht sagen, dass das Gesetz nicht abgeschafft ist (Röm 3,31) und bei einem anderen Vers dann doch.

Um an dieser Stelle nicht allzu sehr ins Detail zu gehen, reduzieren wir diese kurze Veranschaulichung auf zwei Fragen:

  1. Wenn das mit dem “Ende des Gesetzes” genau so dasteht, wie eben gelesen, kann es dann sein, dass wir die Aussage irgendwie falsch verstehen (weil wir z.B. den Kontext der Aussage nicht kennen)?
  2. Kann es sein, dass es falsch übersetzt worden ist?

Hier für diesen Fall trifft der 2. Punkt zu. Korrekterweise müsste es heißen:

Röm 10,4 Denn Christus ist das Ziel des Gesetzes zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt.

Das griechische Wort bei dem “Ziel” ist “telos”. Dasselbe Wort an einer anderen Stelle:

1Tim 1,5 Das Ziel (gr. “telos”) des Gebotes aber ist Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben.

Würde man dasselbe Verständnis von “Ende” für das “telos” hier einsetzen, wäre es das “Ende des Gebotes der Liebe”, sprich wie das Gesetz auch, wäre auch das Gebot der Liebe abgeschafft. Beides ist natürlich totaler Unsinn.

Aber wie kam es überhaupt zu dieser genaueren Betrachtung vom “Ende des Gesetzes”? Genau, weil wir die gesamte Heilige Schrift im Kontext kennen und wissen, dass das Gesetz unmöglich abgeschafft sein kann. Deswegen haben wir das, was vermeintlich total klar und unmissverständlich wirkte, genauer geprüft.

Diese Vorgehensweise dürfen und müssen wir auch anwenden, wenn wir – quasi aus dem Nichts – von neuen Geboten lesen, die nirgends in der Torah geschrieben stehen, wie z.B. die eben gelesenen über: “nicht gehen, keine nichtigen Worte reden, nicht tun, was einem gefällt” usw. Auch diese müssen wir prüfen. Nullkommanull, um die Worte in Jesaja anzuzweifeln. Das sei fern von uns! Sondern um uns einfach exakt dieselben gesunden Fragen wie zuvor zu stellen:

  1. Kann es sein, dass wir die Aussagen in Jesaja irgendwie falsch verstehen (weil wir z.B. den Kontext nicht kennen).
  2. Kann es sein, dass es falsch übersetzt worden ist?

Wir fangen wieder mit dem zweiten Punkt an. Dazu zwei verschiedene Übersetzungen. Zuerst die Schlachter 2000 und dann die Elberfelder Übersetzung in der CSV-Edition:

Jes 58,13 Wenn du am Sabbat deinen Fuß zurückhältst, dass du nicht an meinem heiligen Tag das tust, was dir gefällt; wenn du den Sabbat deine Lust nennst und den heiligen [Tag] des HERRN ehrenwert; wenn du ihn ehrst, sodass du nicht deine Gänge erledigst und nicht dein Geschäft treibst, noch nichtige Worte redest.

Jetzt die Elberfelder:

Jes 58,13 Wenn du deinen Fuß vom Sabbat zurückhältst, dass du dein Geschäft nicht tust an meinem heiligen Tag und den Sabbat ein Ergötzen und den heiligen <Tag> des HERRN ehrwürdig nennst; und <wenn du> ihn ehrst, sodass du nicht deine Wege verfolgst, dein Geschäft betreibst und <eitle> Worte redest.

Es fallen direkt mehrere Unterschiede auf. Fangen wir zuerst mit den Wörtern an, die in Klammern stehen:
Die Klammern in beiden Übersetzungen sollen dem Leser klarmachen, dass die entsprechenden Wörter im hebräischen Text gar nicht dastehen, sondern vom jeweiligen Übersetzer hinzugefügt wurden. Bei der Schlachter sieht man, dass nur das Wort “Tag” markiert ist, bei der Elberfelder sind es “Tag”, “wenn du” und “eitel”. Das heißt, dass man bei der Schlachter als Leser nicht mitgeteilt bekommt, dass z.B. das Wort “nichtig” bei ”noch nichtige Worte redest”, hinzugefügt wurde und im Original gar nicht dasteht.

Aus welchem Grund die Schlachter das Wort “Tag” markiert, es dann aber bei den anderen Wörtern nicht tut, ist unklar. Leider ist das etwas, was die Schlachter an unfassbar vielen Stellen so macht. Es ist sogar eher eine Ausnahme, dass sie den Leser überhaupt wissen lässt, dass Wörter hinzugefügt wurden.

Die Elberfelder hingegen lässt den Leser das viel häufiger wissen, aber auch bei ihr sind nicht grundsätzlich alle Stellen markiert. Generell kann man sagen (wie schon häufiger bei diversen Artikeln getan), dass im sog. AT die Elberfelder viel genauer ist als die Schlachter. Und das jetzt nicht nur wegen der markierten Wörter, sondern wegen der allgemeinen Genauigkeit der Übersetzung. Dass es aber nicht die eine perfekte Übersetzung gibt, sollte jedem klar sein. Ebenso möchten wir an dieser Stelle betonen, dass die Schlachter 2000 eine an und für sich gute Übersetzung ist. Vor allem im NT.

Zurück zum Vers und den weiteren Unterschieden:
Die Schlachter übersetzt ein- und dasselbe Wort “chephez” an der ersten Stelle mit: “was dir gefällt” und dann später im Vers mit: “Geschäft”. Die Elberfelder hingegen nutzt zweimal dieselbe Übersetzung: “Geschäft”.

Angemerkt sei, dass das Wort “chephez” vielseitig genutzt werden kann. Es gibt also Stellen im AT, wo eine Übersetzung mit: “was einem gefällt oder eigener Wunsch bzw. Lust” Sinn macht, aber wiederum gibt es Stellen, wo es keinerlei Sinn machen würde. Nur um ein Beispiel zu nennen:

Pred 5,7 Wenn du die Bedrückung des Armen und den Raub des Rechts und der Gerechtigkeit in der Landschaft siehst, so verwundere dich nicht über die Sache (chephez) …

Nun bei dem Wort: “Sache” “Lust oder Wunsch” einzusetzen, würde null Sinn ergeben, wohingegen durch Handel, Geschäfte oder eben Dinge, die mit Geld zu tun haben, durchaus Arme bedrückt und das Recht geraubt werden kann.

Die Frage für Jes 58,13 ist nun: Was ist hier die passende Übersetzung?

Wir werden gleich dazu kommen. Jetzt noch die letzte wichtige Stelle bei diesem Vers: “eitle/nichtige Worte redest”.

Wie zuvor erwähnt, steht dort im Hebräischen kein “eitel” oder “nichtig”. Da steht einfach nur, dass man am Sabbat nicht “Worte redet”.

Frage: Generell nicht redet?

Sollte das stimmen, dann ist jetzt durch das Buch Jesaja der Torah ein Sabbat-Schweigepflicht-Gebot hinzugefügt worden. Kann das sein oder ist etwas anderes damit gemeint?

Auch dazu werden wir gleich kommen. Jetzt haben wir erst einmal einige interessante, interpretationsfreie Fakten zum “2. Punkt” gesammelt (“Kann es sein, dass die Stelle  falsch übersetzt worden ist?”). Die Summe dieser interpretationsfreien Fakten sollte uns überaus vorsichtig dafür werden lassen, voreilige Rückschlüsse bei diesem Vers zu ziehen.

Ehe wir überhaupt irgendwelche Rückschlüsse ziehen können, müssen wir noch mehr prüfen. So auch den “1. Punkt”, den wir bei Röm 10,4 hatten: “Kann es sein, dass wir die Aussage irgendwie falsch verstehen, weil wir z.B. den Kontext nicht kennen?”.

Ohne jetzt nachzuschlagen, direkt eine Frage an dich: Kennst du den Kontext dieser Stelle? Weißt du, um was es in den 12 Versen vor Jes 58,13 geht? Wovon wird da berichtet? Weißt du es?

… 

Es geht um einen ganz bestimmten Vorwurf gegenüber Gott:

Jes 58,3 “Warum haben wir gefastet, und du hast es nicht gesehen, unsere Seelen kasteit, und du hast es nicht gemerkt?” …

Die Antwort des Allmächtigen lesen wir dann ab dem zweiten Teil des Verses:

… Siehe, am Tag eures Fastens geht ihr euren Geschäften nach und drängt alle eure Arbeiter.

Dann, in den folgenden Versen, bleibt dieser Kontext erhalten und wir lesen von weiteren Dingen, die sie getan haben, aber nicht hätten tun sollen. Andernfalls hätte sie Gott durchaus erhört und sie überreich gesegnet (das lesen wir bis zum Ende des 12. Verses).

Dann, aus diesem konkreten Zusammenhang heraus, kommt die Aussage zum Sabbat. Denn auch an den Sabbaten haben sie ihre Geschäfte getrieben, d.h. sie sind ihrer täglichen Arbeit nachgegangen. Ganz so, wie wir es in Nehemia gelesen hatten:

Neh 13,15 In jenen Tagen sah ich einige in Juda, die am Sabbat die Keltern traten und Garben einbrachten und auf Esel luden, und auch Wein, Trauben und Feigen und allerlei Last, und es am Sabbattag nach Jerusalem hereinbrachten … 

Es war also Gang und Gäbe, dass man Geschäfte trieb, seine Gänge erledigte und seinen Fuß eben am Sabbat nicht zurückhielt. Man ehrte den Sabbat nicht und nannte ihn nicht seine Lust. Daher lesen wir bei der Jesaja-Stelle die Umkehrung dieser Dinge: Wir sollen den Sabbat unsere Lust nennen, ihn ehren, indem wir eben nicht unseren Geschäften nachgehen. Für sie war der Sabbat aber das Gegenteil davon, es war eine Last, weil sie nicht frei ihren Geschäften nachgehen konnten.

Durch die Summe aller dieser Punkte hat man nun zwei Möglichkeiten für das Verständnis von Jes 58,13:

Die erste Möglichkeit ist, dass die Stelle, unabhängig von einem Zusammenhang, ganz generelle Dinge auflistet, die man am Sabbat tun und nicht tun soll. Diese wären dann:

  • Am Sabbat Fuß zurückhalten.
  • Nicht am Sabbat das tun, was einem gefällt.
  • Sabbat eine Lust nennen und ihn ehren.
  • Keine Gänge erledigen.
  • Kein Geschäft treiben.
  • Keine Worte reden.

Das würde bedeuten, dass jeder sich überlegen muss, ob er eine Versammlung besuchen darf oder nicht. Ob er spazieren gehen darf oder nicht. Ob er tun darf, was ihm gefällt, wie z.B. die Schöpfung zu genießen, gut zu essen, Zeit mit der Familie zu verbringen, mit den Kindern zu spielen, Musik zu hören und dergleichen. Die Liste ist beliebig fortsetzbar, da jeder an unterschiedlichen Dingen eine Freude hat. Und abschließend müsste natürlich auch jeder für sich entscheiden, ob er am Sabbat reden darf oder nicht.

Die zweite Möglichkeit, die Stelle zu verstehen, wäre, dass sie in einem direkten Zusammenhang mit dem Sabbat-Verbot der Arbeit steht, genauer mit dem Nachgehen der eigenen Geschäfte. Das würde dann bedeuten:

  • Seinen Fuß von seinen Geschäften zurückhalten.
  • Nicht das tun, was einem gefällt, also z.B. keinen Handel treiben, wie sie es taten.
  • Den Sabbat eine Lust nennen und ihn ehren, indem man eben nicht arbeitet, so wie es geboten ist.
  • Keine geschäftlichen Gänge erledigen.
  • Kein Geschäft treiben.
  • Keine Worte reden, die mit der Arbeit zu tun haben.

Zum letzten Punkt ein kleiner Einblick zur Veranschaulichung:
Bei uns in der Gemeinschaft passen wir gegenseitig auf uns auf, dass wir am Sabbat nicht aus Versehen eine Unterhaltung über unsere Arbeit beginnen. Denn schnell kann es passieren, dass man unbedacht über dieses oder jenes redet oder eben einfach fragt: “Wie lief es diese Woche bei dir auf der Arbeit?”
Wir wollen das nicht machen, weil der Sabbat eben dafür da ist, dass wir uns nicht nur körperlich von unserer Arbeit ausruhen, sondern v.a. auch mental davon Abstand nehmen. In kurz: Der Kern des Sabbats und die Absicht unseres Gottes für sein Gebot ist:

Seine Kinder sollen einfach komplett von der Arbeit abschalten.
Keine Geschäfte, kein “rumwerkeln”,
nicht einmal darüber reden.
Am Besten sogar nicht einmal daran denken.

Einfach voll und ganz Sabbat machen, zur Ruhe kommen, entspannen und auftanken. Denn die nächsten sechs Tage Arbeit warten dann wieder auf uns.

Jeder muss an dieser Stelle für sich selbst prüfen und entscheiden, welche der beiden Möglichkeiten für Jes 58,13 er glauben möchte.

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