Bitterkeit und Buße?
1Mo 27,34 Als Esau die Worte seines Vaters hörte, da schrie er mit einem großen und bitterlichen Geschrei über die Maßen und sprach zu seinem Vater: Segne mich, auch mich, mein Vater! [CSV]
An dieser Stelle taucht zum ersten Mal das hebräische Wort für “bitter” bzw. “Bitterkeit” auf. Bei diesem Vers wird also nicht nur irgendwie die Art des Geschreis Esaus beschrieben, sondern uns wird auch ein Teil seines Innersten aufgezeigt. Denn unmittelbar später sagt er Folgendes:
1Mo 27,40 Und Esau feindete Jakob an wegen des Segens, womit sein Vater ihn gesegnet hatte; und Esau sprach in seinem Herzen: Es nahen die Tage der Trauer um meinen Vater, dann werde ich meinen Bruder Jakob erschlagen. [CSV]
Dazu die Worte unseres Herrn aus der Bergpredigt:
Mt 5,21-22 Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: »Du sollst nicht töten!«, wer aber tötet, der wird dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder ohne Ursache zürnt, wird dem Gericht verfallen sein. Wer aber zu seinem Bruder sagt: Raka!, der wird dem Hohen Rat verfallen sein. Wer aber sagt: Du Narr!, der wird dem höllischen Feuer verfallen sein. [SLT]
So wie damals Esau seinen Bruder wirklich physisch erschlagen wollte, so tun es heutzutage andere mit ihren Brüdern und Schwestern. Wie? Ganz so wie es der Herr beschreibt: Mit Worten. Und beweisen somit mitunter auch die Bitterkeit in ihren Herzen. Wir wissen genau wovon wir reden, denn auch wir hatten und haben sicherlich auch noch Rest-Bitterkeit in unseren Herzen. Daher sollte sich niemand von uns selbst betrügen und sich vor Augen führen, dass das Dinge sind, die in unserem Herzen verändert werden müssen, denn…
Mk 7,21-22 Denn von innen, aus dem Herzen des Menschen, kommen die bösen Gedanken hervor, Ehebruch, Unzucht, Mord, Diebstahl, Geiz, Bosheit, Betrug, Zügellosigkeit, Neid, Lästerung, Hochmut, Unvernunft. [SLT]
Diese Punkte sollen, dürfen und müssen u.a. durch folgende ersetzt werden:
Gal 5,22 Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Selbstbeherrschung. [SLT]
Anhand nur dieser zwei Stellen kann ein jeder von uns – ganz einfach, klar, sachlich und nüchtern – sein Handeln und seinen Umgang mit anderen prüfen. Zum Beispiel mit Fragen wie: “Hatte ich soeben im Austausch den Frieden Gottes in mir? War ich geduldig, sanftmütig und vor allem selbstbeherrscht oder nicht?”
Lautet die Antwort “nein”, sollten und müssen wir das an uns anerkennen und es beim nächsten Mal ändern. Worüber wir bei unserer Selbstprüfung gar nicht zu reden brauchen, ist wenn man andere mit “Raka, Narr” oder ähnlichem beschimpft; denn über die hat der Herr und Meister in Mt 5,21-22 ja schon klare Worte gesprochen!
Die Frage ist nun – wie bei Esau auch – wandelt man weiter in der Bitterkeit oder zeigt man Einsicht? Und bei der Suche nach Einsicht und gesunder Selbsteinschätzung und -prüfung sollten wir eines nicht vergessen und uns ein Negativ-Beispiel an Esau nehmen, der so sehr verbittert war, dass er sogar die Realität verdrehte:
1Mo 27,36 Da sprach er: Ist es nicht, weil man ihm den Namen Jakob gegeben hat, dass er mich nun zweimal überlistet hat? Mein Erstgeburtsrecht hat er weggenommen, und siehe, nun hat er meinen Segen weggenommen! Und er sprach: Hast du für mich keinen Segen aufbewahrt? [CSV]
Auch wenn Letzteres vielleicht stimmt, hat Jakob ihm zu Beginn nicht sein Erstgeburtsrecht genommen, sondern Esau hat es aus freien Stücken verkauft und so dieses Vorrecht mit Füßen getreten:
1Mo 25,33-34 Und Jakob sprach: Schwöre mir heute! Und er schwor ihm und verkaufte sein Erstgeburtsrecht an Jakob. Und Jakob gab Esau Brot und ein Gericht Linsen; und er aß und trank und stand auf und ging davon. So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht. [CSV]
Da er aber seinen eigenen Fehler sich selbst nicht zugestehen konnte, sagte er, dass es der Fehler Jakobs gewesen sei und verdrehte so den gesamten Ablauf. Leider eine uns bekannte menschliche Schwäche. Diese ist einem aber nur bekannt, wenn man einen Schritt von der Wurzel der Bitterkeit zurücktritt und alles erneut nüchtern und im Geiste betrachtet. Oft ist es so, dass erst dann der Geist einen überführt.
Eines sollte bei uns also nicht passieren: dass wir wegen Bitterkeit in uns keinen Raum zur Einsicht und Buße finden:
Hebr 12,15-17 Und achtet darauf, dass nicht jemand die Gnade Gottes versäumt, dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwächst und Unheil anrichtet und viele durch diese befleckt werden, dass nicht jemand ein Unzüchtiger oder ein gottloser Mensch sei wie Esau, der um einer Speise willen sein Erstgeburtsrecht verkaufte. Denn ihr wisst, dass er nachher verworfen wurde, als er den Segen erben wollte, denn obgleich er ihn unter Tränen suchte, fand er keinen Raum zur Buße. [SLT]
Diese Verse machen klar, dass die Bitterkeit so weit gehen kann, dass wir nicht einmal mehr bereuen können, weil wir so dermaßen verbittert sind, dass wir entweder dem gegenüber oder uns selbst nicht mehr vergeben wollen. Und wenn wir nicht wollen, kann uns Gott auch von unserem Leid der Bitterkeit nicht befreien. Denn Bitterkeit ist Leid, das meist Gefühle wie Wut, Zorn, Lästerung und dergleichen mit sich bringt.
Anders formuliert: Unser Herz ist verhärtet (meist durch das Verletzt-sein) und ist in diesem Zustand nicht mehr zur Einsicht und Buße fähig. Dieses Gefühl ist so stark, dass der Geist Gottes nicht wirken kann. Nicht weil er nicht stark genug ist, sondern weil wir ihn betrüben.
Eph 4,30-32 Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt worden seid für den Tag der Erlösung! Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan samt aller Bosheit. Seid aber gegeneinander freundlich und barmherzig und vergebt einander, gleichwie auch Gott euch vergeben hat in Christus. [SLT]
Was für Verse! Wir betrüben den Geist Gottes in uns, wenn wir bitter sind. Was uns aber heilt, ist die Macht der Vergebung, so wie uns Gott vergeben hat, sollen auch wir einander vergeben!
Das heißt: Wenn wir alle Bitterkeit und Bosheit durch Freundlichkeit, Barmherzigkeit u.v.a. durch Vergebung niederringen, werden wir – als für die Versöhnung dienende Knechte – uns selbst mit Gottes Hilfe heilen und Frieden bringen – für uns und für andere, denn…
2Kor 5,18-19 Das alles aber kommt von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Jesus Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat; weil nämlich Gott in Christus war und die Welt mit sich selbst versöhnte, indem er ihnen ihre Sünden nicht anrechnete und das Wort der Versöhnung in uns legte. [SLT]
Appell zum Abschluss dieses Punktes:
Sollten wir denken, dass wir beim Kampf für Gottes Wahrheit andere beschuldigen müssen, dann läuft etwas ganz gewaltig falsch. Und zwar nicht bei den anderen, sondern bei uns selbst!
Durchaus können manchmal scharfe Worte angebracht sein, aber dann ist die große Frage mit welcher Gesinnung man das macht: in Geduld, Sanftmut, Frieden und Liebe oder in Wut, Zorn und der Verbitterung des eigenen Herzens? Ermahne ich aus dem Fleisch heraus oder im Geiste? Beschuldige und beschimpfe ich oder weise ich in Weisheit und Geduld zurecht?
Das sind ganz einfache und klare Fragen, die sich ein jeder von uns nach einem Austausch stellen und selbst beantworten kann. Fallen die Antworten negativ aus, müssen wir uns selbst zugestehen, dass wir Fehler gemacht haben und müssen beim nächsten Mal alles daran setzen, nicht dieselben Fehler erneut zu tun. Denn ansonsten könnte sehr schnell eine Wurzel der Bitterkeit in uns aufkommen, die völlig unkontrolliert Unheil anrichtet. Bei und in uns und auch bei und in anderen.
Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Bitterkeit in uns allen ist, auch wenn wir sie vielleicht noch nicht erkannt haben. Denn eines ist gewiss: Wir leben in einer kaputten Welt und die Welt hat uns kaputt gemacht. Den einen mehr, den anderen weniger. Aber wir alle brauchen innere Heilung von oben – und zwar wirklich alle.
Wenn man aber denkt, dass man frei von diesen Dingen ist und da draußen rumläuft und den Krieger für Gottes Wahrheit spielt und dabei andere beschuldigt, sollte man sich umso mehr Verse wie diesen vor Augen führen – und zwar immer und immer wieder:
1Tim 6,11 Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge, jage aber nach Gerechtigkeit, Gottesfurcht, Glauben, Liebe, Geduld, Sanftmut! [SLT]