Selbstaufgabe gegen Gehorsam?
Diese Überschrift könnte man schnell falsch verstehen, daher direkt ein Beispiel dazu:
Stell dir zwei Menschen vor: Der eine isst z.B. nichts Unreines, trägt seine Gedenk-Quasten, hält die biblischen Feste, verzehntet alles, inklusive seine Gewürze usw., aber mehr nicht; kurz: Er hält das Gesetz – aber nur dem Buchstaben nach. Der andere macht diese Dinge nicht, aber er gibt sich und sein Leben komplett, von A bis Z, sagen wir: für den Dienst an Witwen und Waisen auf.
Wer von beiden lebt mehr nach dem Willen Gottes? Der nur den Buchstaben des Gesetzes hält oder derjenige, der sich selbst und sein Leben aufgibt?
Unabhängig von einer Antwort, die sicherlich je nach Betrachter unterschiedlich ausfallen mag, kann man sagen: Beide sollten nicht gegeneinander kämpfen, sondern voneinander lernen.
Meistens jedoch besteht diese Gesinnung des “Voneinander-Lernens” nicht – auf beiden Seiten nicht. Der eine glaubt jetzt irgendwie, weil er das Gesetz hält, die “Weisheit mit Löffeln gefressen” zu haben (wie es der Volksmund sagen würde) und für den anderen spielt das Gesetz so gut wie keine Rolle in seinem Glaubensleben. Dieser Zustand sollte sich für beide ändern, denn zu einer nahezu identischen Situation spricht unser Herr und Meister folgende Worte:
Mt 23,23 … Ihr gebt Gott den Zehnten Teil von allem, sogar noch von Gewürzen wie Minze, Dill und Kümmel; aber um das Wichtigste an seinem Gesetz, um Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue, darum kümmert ihr euch nicht. Dies solltet ihr tun, ohne das andere zu lassen! [GNB]
Im Gegensatz zu Mk 7, wo der Herr die Pharisäer rügt, weil sie durch ihre Menschengebote das Gesetz Gottes aufheben (siehe z.B. Mk 7,8), rügt er sie hier, weil sie nur den Buchstaben halten (und den sehr genau, indem sie sogar ihre Gewürze verzehnten), aber die wichtigen Dinge im Gesetz tun sie nicht. Nach diesem ermahnenden und für uns alle geltenden Aufruf zur Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue folgt dann seine Aufforderung, die selbstverständlich auch für uns alle gilt:
“Dies solltet ihr tun, ohne das andere zu lassen” –
d.h. alle Dinge im Gesetz tun, sowohl die kleinen, genauso wie die Wichtigen:
Beides sollen wir tun, ohne eines davon zu lassen!
Wir möchten das noch einmal wiederholen, da es für diesen Teil den Nagel auf den Kopf trifft:
Beides sollen wir tun, ohne eines von beiden zu lassen!
Daher sollte für uns nicht wie in der Überschrift “Selbstaufgabe gegen Gehorsam” gelten, sondern vielmehr sollte Gehorsam in der Selbstaufgabe unser Glaubensleben bestimmen. Denn beide Punkte brauchen einander. Und beide Punkte brauchen, wie in den ersten beiden Teilen aufgezeigt, unsere innere Veränderung. Und für diese Herzensveränderung brauchen wir wiederum Gottes Hilfe, damit sowohl das Halten der Gebote als auch die Liebe und Selbstaufgabe von Herzen kommen:
5Mo 30,6 Der HERR, euer Gott, wird euch und eure Kinder im Herzen verändern. Er wird euch fähig machen, ihn aufrichtig und mit ganzer Hingabe zu lieben. Dann bleibt ihr am Leben. [HFA]
Und wie wird der Allmächtige das machen? Durch ein neues Herz und seinen Heiligen Geist:
Hes 11,19-20 Und ich werde ihnen ein Herz schenken, in dem Einigkeit herrscht, und werde ihnen einen neuen Geist geben. Ich nehme das Herz aus Stein aus ihrem Körper und gebe ihnen stattdessen ein Herz aus Fleisch, damit sie sich an mein Gesetz halten und meine Gebote beachten und befolgen. Dann werden sie wirklich mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein. [NLB]
Abrundend für diesen Abschnitt noch eine andere Stelle, die wie Mt 23,23, den Nagel dieses dritten Teils auf den Kopf trifft; weil auch hier unser Herr auf das Zusammenspiel zwischen Gehorsam und Selbstaufgabe eingeht:
Mt 19,16-21 Und siehe, einer trat herzu und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen? Er aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein! Willst du aber in das Leben eingehen, so halte die Gebote! Er sagt zu ihm: Welche? Jesus aber sprach: Das »Du sollst nicht töten! Du sollst nicht ehebrechen! Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht falsches Zeugnis reden! Ehre deinen Vater und deine Mutter!« und »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!« Der junge Mann spricht zu ihm: Das habe ich alles gehalten von meiner Jugend an; was fehlt mir noch? Jesus sprach zu ihm: Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! [SLT]
Die Antwort unseres Meisters nach dem ewigen Leben beinhaltet im Kern also zwei Punkte:
1. Gehorsam.
Das ewige Leben ist mit den Geboten und unserem Gehorsam verbunden. Auch wenn dieser Punkt überraschen mag, aber das ist nicht unsere Antwort auf die Frage nach dem ewigen Leben, sondern die kurze und klare Antwort unseres Erretters, durch den das ewige Leben überhaupt erst möglich ist:
Der Mann fragt: “Was soll ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen?“, der Herr antwortet: “Halte die Gebote!“
Ob nun unser Herr und Meister wirklich meint, dass wir nur noch diese sechs aufgezählten Gebote und keine anderen mehr tun müssen oder er sie nur als Beispiel für die Nächstenliebe nutzt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wir sind in Teil 2 näher auf diesen Punkt eingegangen.
So oder so gilt, dass das ewige Leben nicht allein von unserem Lippenbekenntnis, sondern v.a. von unserem Gehorsam abhängt. Auch hierzu die klaren Worte unseres Herrn:
Mt 7,21 Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut. [SLT]
Der zweite Punkt bei der Antwort unseres Meisters nach dem ewigen Leben ist:
2. Die Nachfolge in Selbstaufgabe.
Mt 19,21 Jesus sprach zu ihm: Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! [SLT]
Die Parallelstelle aus Markus dazu:
Mk 10,21 Jesus aber blickte ihn an, liebte ihn und sprach zu ihm: Eins fehlt dir: Geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach! [SLT]
Der Gehorsam gegen die Gebote Gottes ist unserem Meister wohlgefällig (“Jesus aber blickte ihn an, liebte ihn…“) – selbstverständlich, denn der Herr hat ja selbst nach ihnen gelebt und wir sollen ihm auch in diesem Punkt folgen. Aber das genügt ihm nicht, denn er “sprach zu ihm: Eins fehlt dir“:
Die Nachfolge, nachdem man alles für ihn aufgegeben hat.
Also sind diese beiden Punkte (Gehorsam und Selbstaufgabe; nebst dem Glauben, der natürlich Grundvoraussetzung ist) genau das, was unser Herr demjenigen in Mt 19,16-21 antwortet, als er nach dem ewigen Leben gefragt wird. Seine Antwort gilt selbstverständlich nicht nur für diesen Mann allein, sondern für uns alle. Und des Herrn Antwort ist:
Ewiges Leben = Gebote halten + alles aufgeben und ihm nachfolgen.
Beides gehört zusammen!