Die harte und die sanfte Seite unseres Gottes
2Mo 20,5-6 Du sollst dich nicht vor ihnen niederbeugen und ihnen nicht dienen; denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und an der vierten derer, die mich hassen; und der Güte erweist auf Tausende hin an denen, die mich lieben und meine Gebote halten.
Ehe wir gleich zu dem eigentlichen Punkt (der Veranschaulichung aus dem Verhältnis tausend zu vier) kommen, muss zumindest kurz das Missverständnis erwähnt werden, das rund um diese Stelle kursiert. Das ist deswegen wichtig, weil dieses Missverständnis ebenfalls zu einem falschen Gottesbild führen kann.
Denn manche verstehen diese Stelle so, dass ein Vorfahre irgendwann mal etwas Falsches getan hat und dann die Kinder und Kindeskinder von Gott dafür bestraft werden.
Aber bei dieser Stelle geht es nicht darum. Das kann auch gar nicht der Fall sein! Warum? Wie kann man das so sicher behaupten?
5Mo 24,16 Nicht sollen Väter getötet werden um der Kinder willen, und Kinder sollen nicht getötet werden um der Väter willen …
Falls jemand einwenden sollte, dass bei den Zehn Geboten in 2. Mose nicht “Sünde” wie in diesem Vers, sondern “Ungerechtigkeit” steht, der kann diese Stelle hier lesen, wo dasselbe hebräische Wort verwendet wird:
Hes 18,19-20 Und sprecht ihr: Warum trägt der Sohn die Ungerechtigkeit des Vaters nicht mit? (Die Antwort Gottes dazu:) Der Sohn hat ja Recht und Gerechtigkeit geübt, hat alle meine Satzungen gehalten und sie getan: Er soll gewiss leben. Die Seele, die sündigt, die soll sterben. Ein Sohn soll nicht die Ungerechtigkeit des Vaters mittragen und ein Vater nicht die Ungerechtigkeit des Sohnes mittragen; die Gerechtigkeit des Gerechten soll auf ihm sein, und die Gottlosigkeit des Gottlosen soll auf ihm sein.
Wie zuvor erwähnt, thematisieren wir das, weil eben dieses Missverständnis in vielen Köpfen das Bild unseres vollkommen gerechten Gottes verzerrt. Denn in der Tat ist es natürlich im Leben aller Menschen so, dass Kinder die Konsequenzen der Entscheidungen der Eltern mittragen. Gute wie schlechte. Ist zum Beispiel der Vater alkoholabhängig, muss das Kind auf die eine oder andere Weise die Konsequenzen daraus “ausbaden”. Das ist aber eben keine Strafe Gottes gegenüber dem Kind (!), sondern nur die Konsequenz aus dem Fehlverhalten des Vaters.
Bei manchen ist es aber so, dass sie paradoxerweise schon fast darauf bestehen, dass Kinder und Enkelkinder für die Ungerechtigkeiten der Vorfahren von Gott bestraft werden (so wie es auch der Vers sagt: Und sprecht ihr: Warum trägt der Sohn die Ungerechtigkeit des Vaters nicht mit?). So wie manche (noch viel paradoxerweise!) darauf bestehen, dass Gott Menschen 120 Jahre lang leben lässt, um sie dann in einer Hölle Milliarden mal Milliarden hoch Milliarden Jahre lang bis in alle Ewigkeit der Ewigkeiten zu quälen. So ihre Vorstellung von Gerechtigkeit. So ihr Bild eines vollkommen gerechten Gottes.
Eines sollten wir bei diesem und all den anderen verzerrten Gottesbildern nicht übersehen:
Wir tun unserem Gott damit Unrecht.
Wir sehen ihn als jemand, der er nicht ist.
Und das dürfen wir uns nicht anmaßen!
…
Zurück zu der Stelle aus den Zehn Geboten und wie sie uns bei der Veranschaulichung der Überschrift hilft:
Denn in der Tat ist unser himmlischer Vater nebst seiner unermesslichen Gnade und Vergebung auch konsequent in seiner Züchtigung. Und das ist auch gut so, denn wir haben ja vorhin gelesen, dass die Züchtigung ein Ausdruck seiner Liebe und Fürsorge ist.
Ganz genau so, wie Eltern ihre Kinder nicht einfach machen lassen können, was sie wollen, sondern sie müssen sie maßregeln, damit sie lernen, was man machen darf und was nicht.
Warum tun die Eltern das?
Weil sie ihre Kinder lieben. Tausend mal mehr wollen sie ihren Kindern ihre sanfte als drei- oder viermal ihre harte Seite zeigen. Gleichzeitig müssen sie sie eben auch erziehen – dazu erziehen, dass sie in dieser finsteren Welt als Lichter scheinen. Und genau dasselbe will Gott, denn …
1Tim 2,4 Denn er will, dass alle Menschen gerettet werden und seine Wahrheit erkennen.
Hierzu kann er uns Menschen aber nicht einfach machen lassen, was wir wollen, sondern er muss uns züchtigen. Uns erziehen. Und diejenigen, die sich als seine Kinder erziehen lassen wollen, die verstehen auch, dass seine “harte Seite” nötig für uns ist. Nicht nur nötig, sondern sie ist unverzichtbar und gut für uns.
Und hoffentlich verstehen seine Kinder auch, dass seine sanfte Seite der Fürsorge, Barmherzigkeit, Güte, Gnade und Geduld ihn tausendfach mehr ausmacht als seine züchtigende Seite!
…
Wenn wir darauf vertrauen, dass er genau weiß, wann seine harte bzw. sanfte Seite nötig ist, wann er unsere Gebete erfüllt und wann nicht, wann er uns einen Weg versperrt, wann er uns einen ebnet und viele andere Dinge in unserem Leben tut oder nicht tut, dann unterliegen wir nicht der Gefahr, uns einen eigenen Gott in unseren Köpfen und Herzen zu formen, der nicht dem entspricht, wie und wer er wirklich ist. Denn er ist der …
2Mo 34,6-7 … Der HERR, der starke Gott, der barmherzig und gnädig ist, langsam zum Zorn und von großer Gnade und Treue; der Güte bewahrt auf Tausende hin, der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt …