Gal 3,18 Denn wenn das Erbe durchs Gesetz käme, so käme es nicht mehr durch Verheißung; dem Abraham aber hat es Gott durch Verheißung geschenkt. [SLT]
Hier macht Paulus klar, dass die Funktion des Gesetzes nicht das Erbe ist. Das Gesetz bestimmt in erster Linie Ge- und Verbote nach dem Willen und der Gerechtigkeit Gottes. Das Erbe wird aber nicht durch das Befolgen dieser Ge- und Verbote dem Buchstaben nach erlangt, sondern durch Glauben:
Gal 3,6 Gleichwie Abraham Gott geglaubt hat und es ihm zur Gerechtigkeit angerechnet wurde; [SLT]
Gal 3,29 Wenn ihr Christus angehört, so seid ihr Abrahams Same und nach der Verheißung Erben. [SLT]
Weiter mit den nächsten beiden Versen nach Gal 3,18:
Gal 3,19-20 Wozu nun das Gesetz? Der Übertretungen wegen wurde es hinzugefügt, bis der Same käme, dem die Verheißung gilt, und es ist durch Engel übermittelt worden in die Hand eines Mittlers. Ein Mittler aber ist nicht [Mittler] von einem; Gott aber ist einer. [SLT]
Zwei wichtige Punkte zu diesen Versen: Einmal der Zeitpunkt durch die Formulierung “bis der Same käme” und einmal “warum das Gesetz hinzugefügt wurde“.
Zuerst zum Zeitpunkt, den wir sehr schnell abhandeln können, da es dazu eine fast wortgleiche Formulierung aus dem Munde unseres Herrn gibt:
Lk 16,16 Bis Johannes der Täufer zu predigen begann, hörtet ihr auf das Gesetz Moses und die Propheten. Nun wird die Botschaft vom Reich Gottes verkündet, und die Menschen drängen sich mit Gewalt hinein. [SLT]
Hier könnte man, wie beim Galater-Brief auch, schnell meinen, dass das Gesetz nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gültig sei: Bei Lukas bis zur “Botschaft vom Reich Gottes” und bei Gal 3,19 “bis der Same käme“. Womit identische Zeitpunkte beschrieben werden, nämlich das Auftreten unseres Herrn und Erlösers.
Direkt im nächsten Vers aber stellt unser Herr klar (sodass wir seine Worte ja nicht falsch verstehen), ob das Gesetz nun wirklich nur bis zur “Botschaft des Königreiches Gottes” geht:
Lk 16,17 Doch das bedeutet nicht, dass das Gesetz seine Gültigkeit auch nur im geringsten verloren hätte. Es ist stärker und dauerhafter als Himmel und Erde. [NLB]
Klarer kann man es nicht klarstellen.
Zum zweiten Punkt: Warum kam das Gesetz hinzu?
Im Römerbrief gibt es einen Vers, der nahezu wie eine Parallelstelle wirkt und den Vers hier im Galaterbrief besser verstehen lässt:
Röm 7,7 Was wollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber ich hätte die Sünde nicht erkannt, außer durch das Gesetz… [SLT]
Das heißt, dass das Gesetz hinzukam, damit wir unsere Fehler besser erkennen können. Das ist kein negativer Grund, sondern ein Grund aus der Liebe und Fürsorge Gottes für seine Kinder. Daher schreibt Paulus auch einige Verse später Folgendes:
Röm 7,12-13 So ist nun das Gesetz heilig, und das Gebot ist heilig, gerecht und gut. Hat nun das Gute (also das Gesetz) mir den Tod gebracht? Das sei ferne! … [SLT]
Gal 3,19-20 sagt also im Kern aus, dass das heilige und gute Gesetz dazu da ist, dass wir unsere Fehler erkennen, aber es ist nicht dazu da, dass wir das Erbe erlangen. Das geht nur durch den Samen, der kommen sollte. Diesem gilt die Verheißung, die Abraham gegeben wurde: also Christus, dem Sohn Gottes:
Gal 3,16 Nun aber sind die Verheißungen dem Abraham und seinem Samen zugesprochen worden. Es heißt nicht: »und den Samen«, als von vielen, sondern als von einem: »und deinem Samen«, und dieser ist Christus. [SLT]
Nächster zu betrachtender Vers:
Gal 3,21 Ist nun das Gesetz gegen die Verheißungen Gottes? Das sei ferne! Denn wenn ein Gesetz gegeben wäre, das lebendig machen könnte, so käme die Gerechtigkeit wirklich aus dem Gesetz. [SLT]
Wie zuvor erwähnt: Die Funktion des Gesetzes ist nicht die Verheißung und nicht das Erbe, sondern nur durch den Glauben erreichen wir diese Dinge.
Gal 3,29 Wenn ihr aber Christus angehört, so seid ihr Abrahams Same und nach der Verheißung Erben. [SLT]
Aber nur weil die Verheißung nicht durch das Gesetz kommt, wird das Gesetz dadurch nicht ungültig. Genauso wenig wie man ein erfolgreicher Universitätsabsolvent wird, nur weil man die Campus-Regeln eingehalten hat. Die Funktion dieses, sagen wir mal, Schul-Gesetzes ist nicht der Abschluss, sondern der geregelte Ablauf des Universitätslebens. Genauso wenig ist das Gesetz für unseren “Glaubensabschluss” bestimmt, sondern für das geregelte Leben mit Gott und unseren Nächsten. Wir sollten und dürfen das eine nicht mit dem anderen verwechseln.
Denn wie bereits erwähnt, kommt die Verheißung durch Glauben, was uns zum nächsten Vers bringt:
Gal 3,22 Aber die Schrift hat alles unter die Sünde zusammengeschlossen, damit die Verheißung aufgrund des Glaubens an Jesus Christus denen gegeben würde, die glauben. [SLT]
Amen. Dem Vater sei es gedankt, dass dem so ist, so dass sich niemand von uns rühmen kann. Aber dieses “aus Glauben gerettet werden” ist kein neutestamentarisches Verständnis, sondern war den gottesfürchtigen Menschen schon weit vorher bekannt:
Gal 3,6-7.11 Gleichwie Abraham Gott geglaubt hat und es ihm zur Gerechtigkeit angerechnet wurde, so erkennt auch: Die aus Glauben sind, diese sind Abrahams Kinder … Dass aber durch das Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar; denn »der Gerechte wird aus Glauben leben« [Hab 2,4]. [SLT]
Natürlich wird der Gerechte aus Glauben leben, sonst wären ja alle Menschen, die vor Christus gelebt haben, verloren. Aber Abraham und viele andere werden selbstverständlich ebenfalls ewiges Leben erhalten.
Nächster Vers:
Gal 3,23 Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte. [SLT]
Hier kommt nun die erste etwas verzwickte Stelle, denn Paulus benutzt hier zum ersten Mal im Brief an die Galater seine fast schon berühmte Wortwahl “unter dem Gesetz”.
Er wiederholt diese indirekt im übernächsten Vers:
Gal 3,24-25 So ist also das Gesetz unser Lehrmeister geworden auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Lehrmeister; [SLT]
Die Wortwahl “unter dem Lehrmeister bzw. eben unter dem Gesetz” haben wir bereits in einem ausführlichen Artikel erklärt: “Röm 6,14-15 – Was bedeutet “unter Gnade” / “unter Gesetz”?“; wir empfehlen dir, sofern du Interesse hast, diesen Artikel für dich selbst zu prüfen. Es lohnt sich, weil das Missverständnis rund um die Aussage: “Wir sind nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade.” ist sehr groß und die Tragweite bei einem falschen Verständnis, ist nicht zu unterschätzen.
Damit man aber an dieser Stelle ohne hin- und herzuspringen, den Zusammenhang besser verstehen kann, kurz die beiden berühmten Verse, von denen diese leicht missverständliche Aussage abstammt. Schnell wird man, ganz ohne komplizierte Interpretationen, die Parallelen sehen und so die Absicht des Paulus besser verstehen:
Röm 6,14-15 Denn die Sünde wird nicht herrschen über euch, weil ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade. Wie nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Das sei ferne! [SLT]
Hier sagt Paulus, dass die Sünde nicht über uns herrschen wird, weil wir nicht unter dem Gesetz sind. Er stellt also eine Verbindung zwischen Sünde und Gesetz her, betont aber gleichzeitig, dass wir deswegen natürlich nicht weiter sündigen, also das Gesetz übertreten sollen. Das sei uns ferne.
Dieselbe Verbindung lesen wir auch im Brief an die Galater. Auch dort stellt er eine direkte Verbindung zwischen Sünde und Gesetz her – also absolut deckungsgleich zu dem Brief an die Römer. Um das zu erkennen, hilft uns das griechische Wort “synkleio” weiter:
Gal 3,22-23 Aber die Schrift hat alles unter die Sünde zusammengeschlossen [gr. “synkleio”], damit die Verheißung aufgrund des Glaubens an Jesus Christus denen gegeben würde, die glauben. Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen [gr. “synkleio”] auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte. [SLT]
Wir lesen, ohne Interpretation, sondern lediglich durch die Wortwahl, die Verbindung, die Paulus zwischen Sünde und Gesetz aufzeigen will:
- unter die Sünde zusammengeschlossen [gr. “synkleio”]
- unter dem Gesetz verschlossen [gr. “synkleio”]
Da im Gesetz die Sünde definiert wird (1Joh 3,4), möchte Paulus zum Ausdruck bringen, dass wir durch die Gnadengabe Gottes durch Christus, von diesem Urteil des Gesetz – also der Strafe wegen unserer Sünden – befreit sind. Bis dahin waren wir unter diesen zusammengeschlossen [gr. “synkleio”].
Nun stehen wir aber nicht mehr unter der Sünde und dem Gesetz; d.h. wir wurden von dem Urteil des Gesetzes (also der Strafe) befreit, weil Christus diese für uns trug!
Noch einmal: Er trug nicht das gerechte Gesetz, sondern die Strafe unserer Sünden. Der keine Sünde kannte, wurde für uns zur Sünde, damit wir Gerechtigkeit erlangen würden:
2Kor 5,21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm [zur] Gerechtigkeit Gottes würden. [SLT]
Die “Hoffnung für alle”-Bibel gibt genau den Kern der Aussage aus Röm 6,15 (nämlich dass wir vom Urteil des Gesetzes, also der Strafe befreit wurden) wie folgt wieder und zeigt so den Kontrast zwischen “unter Gnade und unter Gesetz” sehr gut und klar auf:
Röm 6,15 Soll das nun etwa heißen, dass wir bedenkenlos sündigen können, weil uns ja Gottes Gnade gilt (= unter der Gnade sein) und wir das Urteil des Gesetzes (= unter dem Gesetz sein) nicht mehr zu fürchten brauchen? Natürlich nicht! [HFA]
Auch hier kann man sagen: Klarer und einfacher verständlich geht es nicht.
Kurz ein praktisches Beispiel aus dem Leben, welches diesen Punkt aus Röm 6,15 veranschaulicht. Wir hatten dieses, sagen wir mal Gleichnis, bereits in dem Artikel zu “unter Gnade und unter Gesetz”:
Die Freilassung vor Gericht:
Ein Richter spricht nach genauer Prüfung den Angeklagten frei, weil jemand die Schuld für ihn (also die Geldstrafe) bezahlt hat. Bedeutet die Freisprechung von der Strafe, dass der Freigelassene ab jetzt ohne Gesetz leben darf? Oder bedeutet das sogar, dass der Richter durch seine gnädige Tat gleich das ganze Gesetz für alle anderen abgeschafft hat?
Natürlich nicht! Das wäre absurd.
Lediglich die Strafe, also das Urteil des Gesetzes wird für den Freigelassenen aufgehoben, aber nicht das Gesetz selbst. Er wird mit anderen Worten “begnadigt“.
Man könnte nun, um die rhetorische Frage des Paulus (Wie nun? Sollen wir weiter sündigen…) abschließend in dieser Veranschaulichung anzuwenden, fragen:
Soll diese freigelassene Person von nun an – weil sie begnadigt wurde – frei von den Geboten, Richtlinien und Anordnungen des Landes leben?
Natürlich nicht!
Noch einmal der Vers:
Röm 6,15 Soll das nun etwa heißen, dass wir bedenkenlos sündigen können, weil uns ja Gottes Gnade gilt und wir das Urteil des Gesetzes nicht mehr zu fürchten brauchen? Natürlich nicht! [HFA]
“Nicht unter dem Gesetz” bedeutet, dass wir durch das Werk unseres Erlösers von der Strafe, also dem Urteil des Gesetzes befreit wurden – und natürlich nicht vom Gesetz selbst.
Paulus benutzt dieses “unter dem Gesetz” stellvertretend für die Konsequenz der Übertretung des Gesetzes. Deswegen schreibt er ja denen, die immer noch gerne unter diesem Urteil des Gesetzes (also unter Gesetz) sein wollen, sprich die Bestrafung der Sünden empfangen wollen, folgendes:
Gal 4,21 Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Hört ihr das Gesetz nicht? [SLT]
Gal 5,3 Ich bezeuge nochmals jedem Menschen, der sich beschneiden lässt, dass er verpflichtet ist, das ganze Gesetz zu halten. [SLT]
Natürlich, denn um durch das Gesetz gerechtfertigt zu werden, muss man sein Leben lang komplett perfekt und ohne Sünde gelebt haben, …
Jak 2,10 Denn wer das ganze Gesetz hält, sich aber in einem verfehlt, der ist in allem schuldig geworden. [SLT]
Und deswegen schreibt Paulus:
Gal 5,4 Ihr seid losgetrennt von Christus, die ihr durchs Gesetz gerecht werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen! [SLT]
Eigentlich ganz einfach, wenn man diesen grundsätzlichen Punkt versteht:
Christus hat uns nicht vom heiligen Gesetz seines Vaters, sondern von der Strafe, die durch die Übertretung kommt, befreit. Er hat unsere Sünden auf sich genommen. Dadurch wird (wie beim Freigelassenen vor Gericht) nicht das Gesetz aufgehoben, sondern die Strafe. Ganz einfach, klar und verständlich. Wer diesen einfachen Vorgang verkompliziert sind wir, nicht die Worte der Heiligen Schrift.