Nun zu den letzten drei Kalender-Varianten, die alle durch die Beobachtung des Mondes bestimmt werden, aber sich dadurch unterscheiden, wann genau der Monat beginnt. In anderen Worten: Alle sind sich einig, dass man zum Himmel gucken und den Mond genau beobachten muss. Der Zyklus des Mondes bestimmt dann jeweils einen biblischen Monat. Nur der Zyklus beginnt bei dem einen mit der Sichel, beim nächsten mit dem Neumond (also wenn der Mond nicht sichtbar ist) und beim letzten mit dem Vollmond. Das ist das, was sie untereinander unterscheidet.
Anfangen wollen wir mit der letzten Variante: dem Monatsanfang bei Vollmond. Diese Theorie scheint relativ neu zu sein und wir kennen auch nur eine einzige Person, die diese Ansicht vertritt (wobei es sicherlich einige wenige mehr gibt). Aber natürlich ist das nicht der Grund, warum wir hier nicht näher auf diese Ansicht eingehen werden, sondern der Grund ist, dass wir dieses Verständnis geprüft haben und sagen können, dass es biblisch nicht haltbar ist. Aus zig Gründen. Auch hier wieder: Wer sich genauer dafür interessiert und sich dazu austauschen möchte: sehr gerne!
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Also können wir direkt zum zweiten Punkt, dem Monatsanfang mit der Sichtung der Mondsichel kommen. Man kann sagen, dass dieser Kalender mit am weitesten unter den Torah-haltenden Jeschua-Nachfolgern verbreitet ist. Warum das so ist, hat v.a. zwei Gründe:
1. Vor dem Hillel 2-Kalender haben die Juden den Monat nach der Sichtung der Mondsichel bestimmt.
2. Man muss den Mond ja sehen, also beobachten können, um zu wissen, wann der Monat beginnt. Den Neumond sieht man aber nicht, daher muss es automatisch die Sichel sein.
Der erste Punkt mag für viele ein wichtiger Grund sein, aber das dürfte er genau genommen nicht. Denn wie wir durch die Heilige Schrift wissen, ist unser Volk in einigen Dingen von der Wahrheit abgeirrt. Daher kann und darf es kein Argument sein, dass das früher so praktiziert wurde. Man kann es mit in die Waagschale werfen, aber sicherlich ist das kein Beweis.
Beim zweiten Punkt, dass man den Mond sehen muss, um den Monatsanfang zu bestimmen, sieht es schon anders aus. Das klingt logisch und ist zu 100% nachvollziehbar. Dadurch kann man sagen, dass per Ausschlussverfahren der Monatsanfang bei Neumond (also bei einem nicht sichtbaren Mond) automatisch wegfallen muss. Es bleibt also für die Bestimmung des Monatsanfangs nur der Kalender nach der Mondsichel übrig. Daher folgen eben auch so viele diesem Kalender. Und das obwohl es viele Probleme, u.a. auch biblische Interpretationsprobleme gibt, die man für den Mondsichel-Kalender lösen müsste. Aber das “übergehen” leider viele. Erst recht diejenigen, die sich mit dem biblischen Kalender gar nicht richtig beschäftigt haben. Für sie reicht das Argument: “Der Mondsichel-Kalender muss richtig sein, weil es ja gar nicht anders geht, denn man muss den Mond ja sehen können!” Wie gesagt: Der Gedanke ist völlig nachvollziehbar und logisch.
Aber ein kleines Beispiel zu dieser Logik:
Nehmen wir an, dass wir einem Kind die Phasen des Mondes beibringen wollen. Hierfür ist es wichtig, dass es versteht, was ein wiederkehrender Zyklus ist. Auch wenn wir dem Kind nichts von einem “wiederkehrenden Zyklus” erzählen, soll es das Prinzip dahinter, durch das, was wir ihm zeigen werden, verstehen.
Hierzu veranschaulichen wir die Mondphasen, indem wir einen Würfel nehmen und ihn mit einem Würfelbecher abdecken. Zuerst zeigen wir dem Kind die 1.
Dann decken wir den Würfel zu und zeigen ihm dann die 2.
Dann wiederholen wir das mit der 3 usw., bis zur 6.
Dann gehen wir wieder rückwärts zurück: 5, 4, 3, 2, 1. Dann kommt das Entscheidende: Nach der 1 zeigen wir unter dem Würfelbecher keinen Würfel.
Dann machen wir wieder mit der 1 weiter, dann 2, 3, 4, 5, 6, dann wieder zurück 5, 4, 3, 2, 1 und dann wieder der leere Becher ohne Würfel darunter.
Nun die Frage, die uns die Logik von vorher noch einmal vor Augen führen soll:
Konnte das Kind den leeren Becher “sehen”? Konnte er wie bei der 1, 2, 3, 4, 5, 6 auch beim leeren Becher etwas beobachten? Natürlich konnte das Kind das! Es konnte beobachten/sehen, dass da nichts war.
In anderen Worten: Man kann nicht sagen, nur weil nichts unter dem Würfelbecher war, dass man deswegen auch nichts sehen konnte. Man konnte durchaus etwas sehen: Man konnte sehen, dass man eben nichts sehen konnte:-).
Genauso ist es mit dem Neumond. Das vermeintliche Totschlag-Argument: “Der Mondsichel-Kalender muss richtig sein, denn man muss den Mond ja sehen können!” ist also hinfällig! Denn in der Tat kann man einen Neumond sehen.
Wie? Ganz einfach:
Der Mond hat, wie das Würfelbeispiel auch, einen “wiederkehrenden Zyklus”. Ein (wie wir ihn zuvor genannt haben) “himmlischer Zeit-Beobachter” – die es früher explizit gab – kennt diesen Zyklus.
Und zwar in- und auswendig. Er wusste jeden Tag, wo der Mond zum ersten Mal sichtbar werden wird, wie er sich am Himmel entlang bewegen wird und wo er untergehen wird. Er wusste auch, wie das am nächsten und übernächsten Tag aussehen wird. Er wusste das alles, weil es sein Job war, das zu wissen.
Wir wissen aber so gut wie gar nichts über diese Sachen. Soll heißen: Kaum einer von uns beobachtet den Himmel. Kaum einer von uns kennt die Umlaufbahnen der Sterne. Ja, wir kennen noch nicht einmal die Umlaufbahnen des Mondes. Manche wissen noch nicht einmal, dass ein Neumond bei Tag und ein Vollmond hauptsächlich bei Nacht zu sehen ist. Geschweige denn, dass sie den Grund dafür wüssten.
Aber jemand, der sich sein ganzes Leben damit beschäftigt, schon. Er weiß ganz genau, wo er hingucken muss, damit er den nicht sichtbaren Mond dennoch sehen kann. Eben ganz genau so, wie das Kind den nicht vorhandenen Würfel sehen kann, weil es den Zyklus verstanden hat.
Wie gesagt: Mit dieser Tatsache ist das vermeintlich unumstößliche Hauptargument für den Mondsichel-Kalender (“Man muss den Mond ja sehen können!”) völlig hinfällig geworden. Das wiederum führt dazu, dass man dem Neumond-Kalender Raum geben darf und muss. Unter anderem deswegen, weil er in der biblischen Betrachtung viel mehr Sinn ergibt.
Warum der Kalender nach dem Neumond viel mehr Sinn ergibt als nach der Sichel, hat viele Gründe. Leider ist keiner davon “mal eben so” zu erklären. Dennoch möchten wir euch zumindest zwei Beispiele nennen (Rest gerne im Gespräch):
Ps 81,4 Stoßt am Neumond in die Posaune, am Vollmond zum Tag unseres Festes!
Laut Torah gibt es nur ein (!) Fest, bei dem es ein Gebot gibt, in die Posaune/Schofar zu stoßen: An Yom Teruah, dem Posaunenfest. Hier scheint es aber einen Widerspruch zu geben, da man auch zum Vollmond in die Posaune stoßen soll. Dazu gibt es aber wie gesagt kein Gebot in der Torah.
Wie bei jedem vermeintlichen Widerspruch in der Bibel muss man auf die Suche nach der Lösung gehen. Dabei muss man auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass vielleicht etwas an der Übersetzung nicht stimmt. Erst recht, wenn ein Wort, wie das hier für “Vollmond” (hebr. kese), nur zweimal in der gesamten Bibel vorkommt. Hilfreich in solchen Fällen ist es dann, sich das Verb zu dem jeweiligen Nomen anzuschauen, weil die hebräische Sprache eine Sprache ist, die auf Verben aufbaut. In anderen Worten: Im Hebräischen ist das “Tun” das Entscheidende und nicht, wie etwas aussieht (ein geniales Prinzip, das direkt in dieser göttlichen Sprache verankert ist!).
Das Ganze auf das gesuchte Wort angewandt bedeutet: Was die Übersetzer hier als das “Aussehen des Mondes”, nämlich “Vollmond”, frei interpretierend wiedergeben, ist nicht entscheidend, sondern das Verb dahinter gibt Aufschluss über die wahre Bedeutung. Schlägt man also das Verb (hebr. kasa) nach, sieht man, dass es über 150 mal vorkommt und in seiner Bedeutung völlig klar ist. Es steht für: “bedecken, verbergen, verhüllen”. Es geht hier also nicht um einen Vollmond, sondern um genau das Gegenteil: einen “bedeckten, verborgenen, verhüllten” Mond.
Warum jetzt Übersetzer sich für den Vollmond entschieden haben, kann viele Gründe haben. Allen voran die eigenmächtige Interpretation. Siehe hierfür z.B. Luther, der wie folgt übersetzte, um den vermeintlichen Widerspruch aufzulösen:
Ps 81,4 Blaset im Neumond die Posaune, in unserm Fest der Laubhütten!
Mit dieser “Übersetzung” offenbarte Luther v.a. zwei Dinge:
Einmal, dass er zum Teil nicht übersetzte, sondern eigenmächtig interpretierte, und zum anderen zeigte er, dass die Torah anscheinend nicht sein Spezialgebiet war. Denn wäre es so gewesen, dann wüsste er, dass ein solches Gebot in der Torah nicht existiert.
Durch die korrekte Bedeutung wird aber ganz automatisch der Widerspruch zur Torah aufgelöst. Der Vers müsste also lauten:
Ps 81,4 Stoßt am Neumond in die Posaune, beim verdeckten Mond zum Tag unseres Festes!
So ergibt es Sinn und es gibt dann auch keinerlei Widerspruch mehr.
Und wenn wir schon bei diesem Vers und bei einer Wortbetrachtung sind, dann kann man sich auch gleich das Wort für “Neumond bzw. Monat” ansehen. Denn das hebr. “chodesch” kommt knapp 280 mal vor und wird, je nach Übersetzung, ca. 250 mal mit “Monat” und 30 mal mit “Neumond” übersetzt. Aber auch hier ist nicht die deutsche Übersetzung entscheidend. Man kann also nicht sagen, weil da “Neumond” steht, dass automatisch der Kalender nach dem Neumond geht. Obwohl uns das in die Karten spielen würde, aber so können wir logischerweise nicht rangehen.
Stattdessen gucken wir uns erneut das Verb dazu an und fragen uns: “Welches Verb hat Gott bestimmt, den Monatsanfang genauer zu beschreiben?” In kurz: Es ist das Verb “chadasch” und es bedeutet einzig und allein: “erneuern”.
Daher die Frage: Wann erneuert sich etwas?
Zum leichteren Verständnis auch hier wieder das Würfelbeispiel dazu:
Wo hat sich der Zyklus von 0,1,2,3,4,5,6,5,4,3,2,1,0 erneuert? Wo hat der Zyklus seinen “erneuernden” Anfang?
Offensichtlich erneuert sich der Zyklus nicht bei der 1 oder der 6, sondern bei der 0. Genauso wie der Mond sich nicht bei einer Sichel oder beim Vollmond erneuert, sondern eben bei einem nicht sichtbaren Mond = null Mond.
Dies sind wie gesagt nur zwei Beispiele. Auch hier wieder: Gerne mehr dazu im persönlichen Gespräch.
Denn hat sich einer intensiv mit dem Thema “Kalender” beschäftigt, werden ihm zwei Argumente allein nicht genügen. Und das ist auch gut so. Denn auch unsere Ansicht, dass der Monat mit dem “sichtbaren unsichtbaren Mond” beginnt, basiert nicht allein auf ein, zwei Argumenten, sondern auf vielen – u.a. auch auf der jahrelangen Beobachtung der Himmelskörper.