Die große Chance: Gemeinsam weiden, gemeinsam lernen
Was ist mit der Überschrift gemeint?
Dazu gleich ein paar Verse:
Lk 8,24 Da traten die Jünger hinzu, weckten ihn auf und sprachen: Meister, Meister, wir kommen um! …
Lk 20,21 Und sie fragten ihn und sprachen: Meister, wir wissen, dass du richtig redest und lehrst und nicht die Person ansiehst, sondern den Weg Gottes der Wahrheit gemäß lehrst.
Joh 11,28 Und als Martha das gesagt hatte, ging sie fort und rief heimlich ihre Schwester Maria und sprach: Der Meister ist da und ruft dich!
Hier sehen wir, wie diverse Menschen – Männer wie Frauen – den Sohn Gottes als “Meister” angesprochen haben. Das waren bzw. sind keine speziell von uns ausgesuchten Einzelfälle, sondern es war eher der Regelfall, ihn auf diese Weise anzusprechen.
Eine andere Form der Anrede war, wie wir alle wissen, “Herr”. Nun ist es aber so, dass sich von diesen beiden Anredeformen eine ganz besonders durchgesetzt hat, nämlich “Herr”, und die andere, “Meister”, ist eher so etwas wie untergegangen. Der Punkt ist aber, dass im Grunde beide “Titel” genau diejenigen sind, die in der direkten Anrede am meisten zu ihm passen. Ist das unser persönliches Empfinden? Nein, es sind seine eigenen Worte:
Joh 13,13 Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht; denn ich bin es auch.
Natürlich ist in der Gewichtung zwischen den beiden “Herr” ausschlaggebender, aber der Punkt ist eben, dass die Anredeform “Meister” so gut wie nie genutzt wird.
Inwiefern hat das jetzt mit unserem Thema (Gelegenheiten bzw. Chancen, die wir mit unserer Gemeinschaft haben) zu tun?
Die Antwort liegt in der Beziehung zwischen unserem Meister und uns. Jetzt ist es aber so, dass diejenigen, die ihm nachfolgen, seine Jünger genannt werden.
Aber das Wort “Jünger” ist nicht das Wort, das uns helfen wird. Zumal die Bedeutung des Wortes sich im Laufe der Zeit verändert hat, sodass man heutzutage darunter eher versteht, dass man ein Anhänger, Verfechter, vielleicht sogar so etwas wie ein fanatischer Fan einer bestimmten Person ist.
Natürlich sind auch wir Anhänger, Verfechter und fanatische Fans unseres Herrn und Meisters, aber nur ein Fan zu sein bringt bei Weitem nicht so viel, wie das, was das Wort sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen bedeutet, nämlich ein “Lernender” zu sein.
Das heißt: Ein weltlicher Jünger einer berühmten Person, sagen wir von einem Musiker, findet es oft nur besonders toll, was dieser jemand macht, ein biblischer “Jünger” aber will das nachmachen, was sein Idol Jesus macht. Hierfür muss er ein Leben lang lernen, weil er eben nicht nur ein Jünger, sondern ein Lernender ist.
Und hier kommt jetzt das Entscheidende ins Spiel, was uns helfen kann und wird: Wenn wir die Gesinnung und Einstellung eines Lernenden einnehmen, ergeben sich segensreiche Besonderheiten, wie z.B.:
- Ein Lernender befindet sich stets in einem Lernprozess. Er weiß noch nicht alles. Von ihm wird auch nicht erwartet, alles zu wissen und vor allem nicht alles zu können.
- Ein Lernender ist wissbegierig.
- Ein Lernender ist offen für Korrektur und Ermahnung. Er sucht sie sogar, weil er eben dazulernen will.
- Ein Lernender ist sich seines “Lehrling-Seins” bewusst und dadurch besser gewappnet gegen Stolz und Hochmut.
- Ein Lernender hat keinen völlig übertriebenen, nennen wir ihn, “heiligen Leistungsdruck”. Dieser wird bei ihm dadurch auf ein gesundes Maß gebracht, indem er weiß, dass er als Lernender auch Fehler machen darf. Sie gehören sogar dazu. Er macht sich bei Fehlern also keine Vorwürfe, sondern er lernt auch aus ihnen dazu.
Wir erwähnen das, weil manche Geschwister in Gemeinschaften sich mit anderen vergleichen und irgendwie die Vorstellung haben, sofort wie andere sein zu müssen, oder schlimmer: fehlerfrei und perfekt sein zu müssen. Das ist totaler Unsinn. Als Jünger von Jesus, genauer eben als Lernende von Jeschua, sieht das alles ganz anders aus:
Mt 11,29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen!
…
“Und was hat das mit dem ‘gemeinsam weiden’ auf sich?”
Auch dazu ein Vers:
Joh 10,14-16 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und bin den Meinen bekannt, gleichwie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die nicht aus dieser Schafhürde sind; auch diese muss ich führen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein.
Wir werden nicht nur hier im Johannes-Evangelium, sondern in der gesamten Heiligen Schrift immer wieder mit Schafen verglichen. Und wie es für Schafe üblich ist, leben diese nicht allein und isoliert, sondern sie leben in einer Herde.
Genauso wie sie dürfen auch wir nicht allein und isoliert sein, sondern auch wir brauchen wie sie eine Herde, d.h. eine Gemeinschaft. Daher der Vergleich.
Nimmt man nun diese beiden biblischen Bilder zusammen, heißt das im übertragenen Sinne:
Wir sind so etwas wie lernende Schafe, die in der Herde, also in der Gemeinschaft, zusammen wachsen, dann zusammenwachsen und bei all dem stets dazulernen – jeder für sich individuell als auch die Gemeinschaft als Ganzes. Und dabei werden sie, wie es für Schafe üblich ist, nicht aggressiv, wild und unkontrolliert, sondern sie sind zahm, hören auf den Hirten und wollen stets bei der Herde bleiben. In anderen Worten: Sie wollen immer mit den anderen “eins sein”.
Joh 17,21 … auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.
Diese nach Einheit strebende und friedliche Gesinnung der “Schafe”, gepaart mit dem, das wir als “Lernende” stets aus allem dazulernen können, sollen und hoffentlich auch wollen, ist diejenige Gesinnung, die der gute Hirte sich von seinen Schäfchen wünscht, der Meister von seinen Schülern und schlussendlich dann auch unser Vater von seinen Kindern. Auf diese Weise sollen wir wachsen und dazulernen. So ist es ihm wohlgefällig. Daher lasst uns …
Eph 4,15-16 Lasst uns in der Liebe wahrhaftig sein und in allen Stücken wachsen an dem, der das Haupt ist, Christus. Von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und verbunden durch alle Gelenke, die einander Halt geben, und bewirkt das Wachstum des Leibes zur Auferbauung seiner selbst in Liebe, je nach dem Maß, das jedem einzelnen Teil zugemessen ist.