Apg 15,19-20 Darum urteile ich, dass man denjenigen aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten auflegen soll, sondern ihnen nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten. [SLT]
Apg 21,25 Über die gläubig gewordenen Heiden aber haben wir ja einen Beschluss gefasst und ihnen geschrieben, sie sollten sich vor Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktem und Unzucht hüten. [EU]
Diese Stellen werden häufig genommen, um zu zeigen, dass das Gesetz abgeschafft sei, u.a. deswegen, weil hier nur noch diese vier Gebote aufgelistet werden.
Ohne genaueres Untersuchen drängt sich dem einen oder anderen vielleicht eine Frage wie diese auf: “Heißt das, dass dann z.B. stehlen, die Ehe brechen, morden usw. erlaubt sind?”
Wir wissen alle, dass das nicht sein kann. Und da wir das wissen, können wir eines vorab festhalten:
Zur Prüfung, ob das Gesetz noch gültig ist oder nicht, ist diese Stelle nicht passend, da sie völlig unabhängig von dieser Debatte, andere Fragen aufwirft, wie z.B. die bereits genannte oder andere wie: “Ist dann das Gebot der Nächstenliebe und Liebe zu Gott auch abgeschafft, weil nur diese vier genannt werden?”
Auch das wissen wir, kann nicht sein.
Das vorab festgehalten, bleibt die grundsätzliche Frage offen: Wieso liest sich die Stelle eindeutig so, als wären für uns nur noch vier Gebote gültig? Wir wissen, dass das so nicht gemeint sein kann. Also wie klärt sich diese Stelle auf?
Tatsächlich genügt es auch hier wieder, wenn man sich die Stelle im Zusammenhang ansieht. Dazu gehen wir an den Anfang des Kapitels:
Apg 15,1 Und aus Judäa kamen einige herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Gebrauch Moses beschneiden lasst, so könnt ihr nicht gerettet werden! [SLT]
Mit dieser Gesinnung kamen also einige zu den Brüdern und wollten, dass sich die “Neubekehrten” aus den Heiden beschneiden lassen. Es ging also darum, dass diejenigen, die ihr leben lang noch nie oder kaum etwas von dem Gesetz Gottes (den fünf Büchern Mose) kannten, direkt dazu gezwungen werden sollten, sich im Nachhinein beschneiden zu lassen; denn ohne diese Beschneidung, so die Auslegung derer, die nach Judäa herabkamen, “könnten sie nicht gerettet werden“.
Man merkt in dieser Aussage sehr schnell ihre tief in ihnen sitzende pharisäische Gesinnung, die eine Rechtsprechung aus Werken des Gesetzes sucht. Eine falsche Gesinnung, wie wir wissen dürfen. Auch oder v.a. Paulus hatte damit zu kämpfen und schrieb dazu u.a. folgendes:
Gal 5,4 Ihr seid losgetrennt von Christus, die ihr durchs Gesetz gerecht werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen! [SLT]
Es ging denen aus Vers 1 also um eine Errettung, die ohne ein bestimmtes Werk (in diesem Fall die Beschneidung) nicht möglich war. “Keine Beschneidung, keine Errettung”, so die pharisäische Denke. Diese Denke war die grundsätzliche Ausgangslage der Debatte in Apostelgeschichte 15, die dann in Vers 5 noch um das Gesetz erweitert wurde:
Apg 15,5 Aber einige von der Richtung der Pharisäer, die gläubig geworden waren, standen auf und sprachen: Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten! [SLT]
Zu diesem falschen Verständnis der gläubig gewordenen Pharisäer eine bekannte und sehr gut passende Stelle:
Gal 2,16 weil wir erkannt haben, dass der Mensch nicht aus Werken des Gesetzes gerechtfertigt wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, so sind auch wir an Christus Jesus gläubig geworden, damit wir aus dem Glauben an Christus gerechtfertigt würden und nicht aus Werken des Gesetzes, weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt wird. [SLT]
Um genau diese gleiche, falsche Gesinnung geht es in Apostelgeschichte 15: Es geht um das Missverständnis der Gnade Gottes, weil einige meinen, es durch Werke des Gesetzes erreichen zu können. Und genau das gleiche Missverständnis haben wir auch heute noch – 2.000 Jahre später, denn:
Es geht beim Rat der Apostel nicht um die Gültigkeit des Gesetzes. Darum ging es nie. Es ging um den Punkt, dass irgendeine Tat, außer dem Glauben nach dem Maßstab Gottes, getan werden musste, damit man gerettet wird; in diesem Fall die Beschneidung, Vers 1 und das Halten des Gesetzes, Vers 5.
Das ist das sog. falsche “gerechtfertigt werden aus Werken des Gesetzes“; was aber, wie wir alle wissen, nicht geht, denn: “aus Werken des Gesetzes wird kein Fleisch gerechtfertigt“.
Es ist eigentlich ganz einfach. Paulus, als auch die Apostel beim Konzil wussten das. Es ging ihnen vielmehr um folgendes:
Die Menschen, die den einzig wahren Gott und seine Wege so gut wie nicht kannten, sollten jetzt nach seinen Weisungen leben. Logischerweise ist dies aber anfangs kaum möglich, da man so gut wie gar nichts aus der Heiligen Schrift kennt bzw. kannte. Es entstand also ein Problem, das es zu lösen galt. Die Sache musste genau untersucht werden, denn eine solche Situation gab es bisher noch nie:
Apg 15,6 Da kamen die Apostel und die Ältesten zusammen, um diese Sache zu untersuchen. [SLT]
Sie untersuchten die Sache und stellten fest, dass es viel zu schwierig für die “Neubekehrten aus den Heiden” war, alles direkt zu Beginn von ihnen einzufordern, da, wie bereits erwähnt, sie ja so gut wie keine Gebote kannten. Man bedenke: Damals gab es noch keine Bibel für ein paar Euros, die man an jeder Ecke kaufen und daraus hätte lesen können. Wie hat man dann damals die Wege Gottes gelernt?
Wir werden gleich darauf eingehen, denn genau dieses Problem ist gleichzeitig auch die Lösung der Apostel. Wie wir das meinen, wird sich gleich durch einen ganz speziellen und oft in diesem Zusammenhang überlesenen Vers aufklären.
Mit diesem Problem der “neu zum Glauben gekommenen” konfrontiert, tut Jakobus im Namen der Ältestenschaft nach der Untersuchung ihren Entschluss kund und spricht die ominösen vier Gebote aus:
Apg 15,19-20 Darum urteile ich, dass man denjenigen aus den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten auflegen soll, sondern ihnen nur schreiben soll, sich von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht, vom Erstickten und vom Blut zu enthalten. [SLT]
Und nun kommt der Vers, der so häufig überlesen wird, aber ihren Entschluss begründet, abschließt und das große Missverständnis um diese Stelle auflöst.
Apg 15,21 Denn seit vielen Generationen wurden diese Vorschriften aus dem Gesetz des Mose Sabbat für Sabbat überall in den Synagogen gepredigt. [NLB]
Wir können uns das mal kurz bildlich vorstellen: Jakobus steht in der Versammlung auf und fängt an, allen ihren Entschluss kundzutun. Er teilt in Vers 19 und 20 die bereits gelesenen vier Gebote mit. Danach setzt er sich nicht hin und beendet somit den Entschluss, sondern er spricht noch Vers 21 aus.
Warum macht er das? Wieso leitet er Vers 21 mit einem “denn” ein und stellt so einen Zusammenhang zu den Aussagen aus den Versen 19-20 her? Wo ist dieser Zusammenhang?
Die Antwort ist einfach: Es geht, wie bereits erwähnt, um Neubekehrte, die am Anfang ihres Glaubenslebens stehen und keine Ahnung von den Weisungen Gottes haben und erst einmal diese wichtigen Gebote befolgen sollen (die vier Gebote aus Vers 20, die ihm Gesetz geschrieben stehen). Natürlich nicht als Voraussetzung für ihre Errettung, sondern weil diese vier Gebote sie erst einmal von ihren – tief in ihnen verwurzelten – heidnischen Praktiken trennen sollen. Alles andere werden sie dann sowieso nach und nach lernen:
Apg 15,21 Denn seit vielen Generationen wurden diese Vorschriften aus dem Gesetz des Mose Sabbat für Sabbat überall in den Synagogen gepredigt. [NLB]
Das gesamte Szenario lässt sich – wenn man es nicht aus dem Zusammenhang reißt, sondern als Ganzes liest – stichpunktartig wie folgt zusammenfassen:
- Heiden, die zum einzig wahren Gott gekommen sind, kennen Gottes Gebote nicht.
- Die Ältesten wissen nicht, wie man damit umgehen soll.
- Die Fülle der Gebote direkt von ihnen zu verlangen, wäre etwas nicht Tragbares für sie.
- Dennoch können und müssen sie die vier genannten Gebote (die aus dem Gesetz Gottes stammen) sofort und ohne Aufschub halten.
- Den Rest der Gebote Gottes werden die Heiden nach und nach am Sabbat lernen, denn dann wurde ihnen das Gesetz vorgelesen:
Apg 15,21 Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt solche, die ihn verkündigen, da er in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen wird. [SLT]
Es geht bei dieser Stelle offensichtlich nicht um die Auflösung, ob jetzt nur noch vier Gebote für uns gültig sind oder nicht. Jeder weiß, dass das nicht sein kann. Genau deswegen sollten wir uns die Frage stellen und uns aufrichtig damit auseinandersetzen, worum es dann wirklich geht?
Bitte prüfe das – u.a. dadurch, dass man das Kapitel ganz liest und sich die Situation, das Problem und die Parteien, die involviert waren, genau vor Augen führt. Das ist in diesem Fall ganz besonders hilfreich, um das Szenario und den Urteilsspruch der Apostel besser zu verstehen. Denn, wie soeben gelesen, steht Jakobus auf und teilt allen – damals wie heute – drei und nicht zwei Verse mit.
Was ist also der Gesamtzusammenhang dieser Verse? Wie lässt sich die Aussage in Vers 21 mit der aus 19 und 20 vereinen? Die Antworten auf diese Fragen sollten deshalb wichtig sein, weil der Entschluss uns – “die Heiden, die sich zu Gott bekehren” – betrifft.
V1.2
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