Zeitliche Abläufe in Schilderungen von Ereignissen
Gerade dieser Punkt ist sehr interessant für das Veranschaulichen einer Gefahr, die wir zuvor gesehen, aber noch nicht konkret benannt hatten: Das Lesen der Verse durch unsere persönliche Brille.
Direkt wieder ein Beispiel dazu:
2Mo 16,22-27 Und es geschah am sechsten Tag, da sammelten sie das Doppelte an Brot, zwei Gomer für jeden; und alle Fürsten der Gemeinde kamen und berichteten es Mose. Und er sprach zu ihnen: Dies ist es, was der HERR geredet hat: Morgen ist Ruhe, ein heiliger Sabbat dem HERRN; was ihr backen wollt, backt, und was ihr kochen wollt, kocht. Alles aber, was übrig bleibt, legt euch hin zur Aufbewahrung bis zum Morgen. Und sie legten es hin bis zum Morgen, so wie Mose geboten hatte; und es stank nicht, und es war kein Wurm darin. Da sprach Mose: Esst es heute, denn heute ist Sabbat dem HERRN; ihr werdet es heute auf dem Feld nicht finden. Sechs Tage sollt ihr es sammeln; aber am siebten Tag ist Sabbat, an dem wird es nicht da sein. Und es geschah am siebten Tag, dass einige vom Volk hinausgingen, um zu sammeln, und sie fanden nichts.
Sind diese Verse ein eindeutiger Beleg dafür, dass der Tag mit dem Morgen beginnt?
Zum leichteren Verständnis wieder ein Beispiel dazu. Wir stellen uns mal vor, dass ähnlich wie Mose ein Kommandant zu seinen Soldaten vergleichbare Worte sagt:
“Heute ist Freitag. Morgen ist Ruhetag. Leert heute das Lager aus und wer etwas mit zu sich in sein Zimmer nehmen will, kann dies tun, aber am Morgen muss alles aufgegessen sein.” Am nächsten Tag, frühmorgens, spricht er dann zu ihnen: “Heute ist euer wohlverdienter Ruhetag. Heute müsst ihr nicht ins Lager und arbeiten.”
Hat der Kommandant jetzt irgendwie durch seine Aussagen den Tagesbeginn definiert. Hat er ihn auf 0.00 Uhr gesetzt? Oder hat er ihn auf “frühmorgens” verlegt? Nein, er hat lediglich – ganz so wie Mose – die Rahmenbedingungen für etwas genannt. Im Fall des Kommandanten für das Räumen des Lagers und die Zeit der Aufbewahrung. Und dann am nächsten Morgen hat er den Ruhetag ausgerufen. Wann und zu welcher Uhrzeit der Kommandant das gesagt hat oder wann der Tag beginnt, werden durch diese Dinge nicht definiert. Genauso wenig wird der Tag in 2Mo 16,22-27 definiert. Dort wird lediglich gesagt, dass es der sechste Tag und morgen Sabbat ist, dass man alles bis zum Morgen aufbewahren darf und dass dann “heute Sabbat ist“. Nicht mehr, nicht weniger. Nur durch unsere persönliche Brille scheinen die Verse ein Beleg für etwas zu sein, was da gar nicht steht.
Ein anderer Beispielvers:
Ri 14,18 Da sprachen die Männer der Stadt zu ihm am siebten Tag, ehe die Sonne unterging: Was ist süßer als Honig? Und was ist stärker als der Löwe? Und er sprach zu ihnen: Wenn ihr nicht mit meinem Kalb gepflügt hättet, so hättet ihr mein Rätsel nicht erraten.
Hier kommen die Männer vor Sonnenuntergang zu Simson, um das Rätsel zu lösen; denn sie hatten nur sieben Tage dafür Zeit. Schnell könnte man – mit einer “Tagesbeginn bei Sonnenuntergang”-Brille auf – den Rückschluss ziehen, dass weil die Männer ehe die Sonne unterging zu ihm kamen, der siebte Tag mit dem Sonnenuntergang endet. Das wäre möglich. Genauso wäre es aber möglich, dass die Worte “ehe die Sonne unterging” lediglich den Zeitpunkt beschreiben, bei dem die Männer zu ihm kamen. Wenn wir heute sagen: “Die Männer kamen am siebten Tag, ehe es 15.00 Uhr wurde, zu ihm.”, denken wir ja auch nicht, dass deswegen der neue Tag mit 15.00 Uhr beginnt.