Der biblische Kalender – Sonne, Mond & Sterne – Der Tagesbeginn

Das Passah und der Auszug aus Ägypten – der zweite Zeuge

In diesem Block geht es darum, herauszufinden, wie der genaue zeitliche Ablauf beim Auszug Israels war. Verstehen wir den Ablauf korrekt, dann haben wir einen weiteren Zeugen dafür, wann der biblische Tag beginnt. Zuerst einmal drei Verse, die die Grundlage für unsere Betrachtung legen:

2Mo 12,37 So zogen die Kinder Israels aus von Ramses nach Sukkot, etwa 600 000 Mann Fußvolk, nicht mitgerechnet die Frauen und Kinder.

4Mo 33,3 Sie brachen auf von Ramses im ersten Monat, am fünfzehnten Tag des ersten Monats. Am nächsten Tag nach dem Passah zogen die Kinder Israel aus …

5Mo 16,1 Halte den Monat Abib, und feiere dem HERRN, deinem Gott, das Passah; denn im Monat Abib hat dich der HERR, dein Gott, bei Nacht aus Ägypten herausgeführt.

Anhand dieser Verse wissen wir unmissverständlich, dass in der Nacht des 15.01. Israel ausgezogen ist. Durch diese genaue zeitliche Angabe gibt es nun zwei Möglichkeiten. Die erste ist, dass sie mehr als einen vollen Tag nach dem Passah ausgezogen sind. Das würde dann so aussehen:

Die zweite Variante wäre diese hier:

Stimmt die erste Variante, dann hatten sie viel Zeit (mehr als 24 Stunden), um auszuziehen. Stimmt die zweite Variante, dann sind sie sehr eilig, schon fast fluchtartig ausgezogen. 

Damit man die Abfolge der Ereignisse von damals besser nachvollziehen kann, ist es hilfreich, sich den Ablauf des Exodus wie einen “Film im Kopf” vorzustellen. Damit wir das machen können, gucken wir uns die wichtigsten Verse aus 2Mo 12 in einem Schnelldurchlauf an (bitte selbst komplett nachlesen):

Das Volk schlachtet am 14.01. zwischen den Abenden bzw. beim Untergang der Sonne das Passah und isst es anschließend in jener Nacht. Für diese spezielle Nacht wird das Schlagen der Erstgeburt Ägyptens durch den Allmächtigen angekündigt:

2Mo 12,8.12 Und sie sollen in dieser Nacht das Fleisch essen, gebraten am Feuer, und ungesäuertes Brot; mit Bitterem sollen sie es essen. … Und ich werde in dieser Nacht durch das Land Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten schlagen vom Menschen bis zum Vieh, und ich werde Gericht üben an allen Göttern Ägyptens, ich, der HERR.

Hier – schon direkt zu Beginn des Kapitels – sehen wir zwei Mal die Erwähnung “in dieser Nacht”. Wir erwähnen das ausdrücklich, weil der Text gleich immer und immer  wieder diesen einen wichtigen Punkt wiederholen wird.

Wie ging es weiter?

2Mo 12,29-31 Und es geschah um Mitternacht, da schlug der HERR alle Erstgeburt im Land Ägypten, vom Erstgeborenen des Pharaos, der auf seinem Thron saß, bis zum Erstgeborenen des Gefangenen, der im Kerker war, und alle Erstgeburt des Viehs. Und der Pharao stand in der Nacht auf, er und alle seine Knechte und alle Ägypter, und es entstand ein großes Geschrei in Ägypten; denn es war kein Haus, worin nicht ein Toter war. Und er rief Mose und Aaron in der Nacht und sprach: Macht euch auf, zieht weg aus der Mitte meines Volkes, sowohl ihr als auch die Kinder Israel, und geht hin, dient dem HERRN, wie ihr geredet habt.

Auch hier lesen wir (dreimal), dass alle diese Dinge in ein und derselben Nacht stattfanden.

Was geschah noch in jener Nacht?
Nachdem die Erstgeborenen der Ägypter geschlagen wurden, waren sie, als auch der Pharao, verständlicherweise aufgebracht. So dermaßen aufgebracht, dass sie die Israeliten drängten, damit sie schnell das Land verlassen:

2Mo 12,33 Und die Ägypter drängten das Volk, um sie schnell aus dem Land ziehen zu lassen; denn sie sagten: Wir alle sind des Todes!

Sie wollten sie also umgehend loswerden und drängten sie, damit sie schnell aus dem Land ziehen. Später lesen wir auch, dass sie von den Ägyptern Beute mitnahmen.

Jetzt mag man einwenden: “Aber das geht doch nicht, weil geschrieben steht …”:

2Mo 12,22 Und nehmt ein Büschel Ysop und taucht es in das Blut im Becken und bestreicht mit diesem Blut im Becken die Oberschwelle und die zwei Türpfosten; und kein Mensch von euch soll zu seiner Haustür hinausgehen bis zum Morgen!

Dieser Befehl steht aber in einem völlig logischen Zusammenhang zum nächsten Vers. Natürlich denn …

2Mo 12,23 Denn der HERR wird umhergehen und die Ägypter schlagen. Und wenn er das Blut sehen wird an der Oberschwelle und an den beiden Türpfosten, so wird er, der HERR, an der Tür verschonend vorübergehen und den Verderber nicht in eure Häuser kommen lassen, um zu schlagen.

Da der Verderber schon durch das Land gezogen ist und die Erstgeburt bereits geschlagen wurde, besteht natürlich keinerlei Notwendigkeit mehr, in den Häusern zu bleiben. Dennoch ist dieser Punkt nicht zu 100% klar, obwohl wir vom Pharao und von Mose und Aaron in Vers 31 lesen und auch von den Ägyptern, die direkt in der Nacht das Volk drängten, um sie schnell aus dem Land ziehen zu lassen.

Wir machen mal weiter und widmen uns der generellen Frage: Wie schnell konnte Israel überhaupt ausziehen?

Da man meist keine genaue Vorstellung davon hat, wie lange es braucht, wenn mehrere Millionen Menschen sich von A nach B bewegen, hier eine kleine Veranschaulichung dazu:
Die größten Konzerte, die es bisher gab, hatten ca. 4 Millionenen Besucher. Was denkt man, wie lange es dauert, bis diese Menschenmenge das Konzert verlässt? Mehr als 24 Stunden? Natürlich nicht, sondern der “Aufbruch” geschieht innerhalb weniger Stunden. Und wir reden hier von Konzerten, die in Rio de Janeiro, Moskau, Paris und dergleichen stattfanden. Also in dicht besiedelten Weltmetropolen und nicht – wie sie damals – in einer offenen Wüstenlandschaft.

Wichtig, sogar sehr wichtig, für unsere Betrachtung ist auch, dass hier nicht locker flockig Menschen von einem Konzert nach Hause gingen, sondern es gibt zwei entscheidende Unterschiede, die es hier zu beachten gilt:

1. Das Volk Israel konnte es nicht erwarten, endlich aus der Gefangenschaft freizukommen und nach Hause zurückzukehren. Sie wollten keine Sekunde länger bleiben.
2. Gegen diese sehnsüchtige Erwartung der Israeliten hatten die Ägypter absolut nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Sie gaben ihnen sogar Beute mit. So auf die Art: “Nimm. Hauptsache du verschwindest schnell.”; denn sie drängten das Volk Israel ja, damit sie schnell das Land verlassen (wie wir soeben gelesen haben). 

Diese beiden Punkte – ungleich zu einem Konzert – beschleunigen die ganze Sache natürlich. Und zwar enorm!

Wir machen mal mit dem Text weiter, denn den nächsten Vers könnte man schnell überlesen, wobei er doch einen weiteren Hinweis (sogar einen sehr klaren und starken Hinweis) für den zeitlichen Ablauf gibt:

2Mo 12,34 Und das Volk trug seinen Teig, ehe er gesäuert war …

Jetzt mag man sich vielleicht fragen: “Was daran soll ein starker Hinweis sein?”
Da Bilder meist mehr als tausend Worte sagen, hier zwei Bilder dazu:

Das erste Bild zeigt einen Behälter mit einem Teig, der ausschließlich nur aus Wasser und Vollkorn-Mehl besteht. Das zweite Bild zeigt, was passiert, wenn er 24 Stunden ruht. Er säuert. Und das nicht gerade wenig. Und das bei Zimmertemperatur. In Ägypten liegt die Temperatur im April aber bei ca. 30 Grad. Das erwähnen wir deshalb, weil ein Teig dann viel, viel schneller säuert. Auch das Wasser und die Urform des Korns sind alles zusätzliche Dinge, die einen Teig noch viel schneller säuern lassen, als bei uns heute.

Für all diejenigen, die sich mit dem Thema “Sauerteig” nicht so gut auskennen, eine kleine hilfreiche Randnotiz dazu:
Unsere jüdischen Geschwister gehen mit dem Prozess, wie schnell Sauerteig entstehen kann, so um, dass sie in der Woche der Ungesäuerten Brote die Mischung aus Wasser und Mehl nicht länger als ca. 20 Minuten stehen lassen, ehe sie den Teig backen. Warum? Weil eben rein theoretisch dann schon der Prozess der Säuerung beginnt. Wir erwähnen das keineswegs als ein Gebot oder so, weil nichts dergleichen in der Torah steht! Wir erwähnen es nur, damit man als “Laie” überhaupt einen Richtwert hat, wie schnell so ein Teig säuern kann.

Wir möchten diesen nicht unwichtigen Punkt abschließend noch einmal in kurz wiederholen:
Wären sie 24 Stunden später ausgezogen, wäre der Teig gesäuert gewesen, aber wir haben ja gelesen, dass das Volk seinen Teig trug, ehe er gesäuert war …

…

Wir machen erst einmal weiter mit dem Ablauf der Ereignisse. In Vers 39 lesen wir:

2Mo 12,39 Und sie backten den Teig, den sie aus Ägypten gebracht hatten, zu ungesäuerten Kuchen; denn er war nicht gesäuert, weil sie aus Ägypten getrieben worden waren und sich nicht hatten aufhalten können …

Hier können wir die letzten zwei Punkte unserer Betrachtung in einem Vers zusammengefasst lesen: Der Teig war nicht gesäuert, weil (dieses “weil” ist sehr wichtig!) sie aus Ägypten getrieben worden waren und sich nicht hatten aufhalten können.

Es war also nichts mit “nicht vor die Tür gehen”, sondern sie wurden aus dem Land getrieben.
Wir hatten ja zu Beginn dieses Blocks gesagt:
Beginnt der Tag mit dem Morgen, dann hatten sie viel Zeit (mehr als 24 Stunden), um auszuziehen. Beginnt der Tag aber mit dem Abend, dann sind sie sehr eilig, schon fast fluchtartig ausgezogen:

5Mo 16,3 Du darfst nichts Gesäuertes zum Passah essen. Du sollst sieben Tage lang ungesäuertes Brot des Elends dazu essen, denn du bist in eiliger Flucht aus dem Land Ägypten gezogen …

Wenn man trotz all dieser Dinge immer noch unschlüssig ist, wann der Auszug genau stattfand, ist das nicht schlimm, denn der gleich folgende Vers macht alles klar. Denn die Israeliten zogen so schnell und in eiliger Flucht aus, dass die Torah den Passah-Abend sogar mit dem Zeitpunkt des Auszugs so eng verknüpft, dass man meinen könnte, dass es zeitgleich stattfand:

5Mo 16,6 An dem Ort, den der HERR, dein Gott, erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, dort sollst du das Passah schlachten, am Abend, wenn die Sonne untergeht, zur Zeit deines Auszugs aus Ägypten.

Dieser Vers allein zeigt, dass unmöglich mehr als 24 Stunden zwischen dem Passah und dem Auszug vergangen sein können. Beide Ereignisse liegen also zeitlich sehr nah beisammen. Daher können wir dieses Bild schon einmal streichen, denn würde der Tag mit Sonnenaufgang beginnen, hätten wir hier einen weiteren offensichtlichen Widerspruch (!), in dem Fall zu 5Mo 16,6.

…

Jetzt konnten wir sehen, dass der biblische Tagesbeginn zum Morgen anhand der Angaben im Text nicht hinhaut. Allein nur 5Mo 16,6 macht es unmöglich. Aber wie sieht es mit dem Tagesbeginn am Abend aus? Gibt es dafür Belege? Ja, denn wir hatten ja im 12. Kapitel die immer wiederkehrende Betonung der ein und derselben Nacht. Noch einmal die Verse dazu im Schnelldurchgang:

2Mo 12,8 Und sie sollen in dieser Nacht das Fleisch essen … 12 Und ich werde in dieser Nacht durch das Land Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten schlagen … 29 Und es geschah um Mitternacht, da schlug der HERR alle Erstgeburt im Land Ägypten … 30 Und der Pharao stand in der Nacht auf … und es entstand ein großes Geschrei in Ägypten; denn es war kein Haus, worin nicht ein Toter war. 31 Und er rief Mose und Aaron in der Nacht und sprach: Macht euch auf …

Dann lesen wir zu dieser speziellen Nacht noch:

2Mo 12,42 Dies ist eine Nacht, die dem HERRN zu halten ist, weil er sie aus dem Land Ägypten herausführte; ebendiese Nacht gehört dem HERRN, sie ist zu halten von allen Kindern Israel bei ihren Geschlechtern.

Man könnte fast meinen, unser Schöpfer hätte geahnt, dass seine Kinder durcheinanderkommen könnten und hat daher noch einmal klargestellt, dass es ”ebendiese Nacht” war. Blickt man ins Hebräische wird die Tatsache der ein und derselben Nacht unterstrichen, indem da nicht geschrieben steht: “eine Nacht” oder “diese Nacht” und schon gar nicht “zwei Nächte”, sondern wortwörtlich eben “ebendiese Nacht”.

Welche Nacht noch einmal? Genau, die eine Nacht, in der man das Passah aß, die eine Nacht, in der die Erstgeburt geschlagen wurde und eben die eine Nacht, in der das Volk auszog. Alles geschah in ebendieser Nacht!